Gesetzestext

 

(1) Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht den in den Artikeln 13 bis 17 festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernissen, so sind eine Heilung der Verfahrensmängel und eine Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel möglich, wenn

a) die Entscheidung dem Schuldner unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Erfordernisse nach Artikel 13 oder Artikel 14 zugestellt worden ist, und
b) der Schuldner die Möglichkeit hatte, einen eine uneingeschränkte Überprüfung umfassenden Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen, und er in oder zusammen mit der Entscheidung ordnungsgemäß über die verfahrensrechtlichen Erfordernisse für die Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs, einschließlich der Bezeichnung und der Anschrift der Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und ggf der Frist unterrichtet wurde, und
c) der Schuldner es versäumt hat, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gem den einschlägigen verfahrensrechtlichen Erfordernissen einzulegen.

(2) Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht den verfahrensrechtlichen Erfordernissen nach Artikel 13 oder Artikel 14, so ist eine Heilung dieser Verfahrensmängel möglich, wenn durch das Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen ist, dass er das zuzustellende Schriftstück so rechtzeitig persönlich bekommen hat, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen konnte.

 

Rn 1

Abs 1 sieht eine Heilung von Verfahrensmängeln (zB Zustellung oder Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks) vor, wenn die als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigende Entscheidung dem Schuldner gem Art 13 oder 14 zugestellt (Abs 1 lit a) und trotz Belehrung kein Rechtsbehelf eingelegt wird. Etwaige Verfahrensmängel werden dann geheilt und die Ausgangsentscheidung kann nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden.

 

Rn 1a

Die Regelung ist im deutschen Recht insb für Versäumnisurteile und Kostenfestsetzungsbeschlüsse von Bedeutung. Eine Heilung setzt aber stets voraus, dass dem Versäumnisurteil oder dem Kostenfestsetzungsbeschluss eine Rechtsbehelfsbelehrung iSd Abs 1 lit b beigefügt war (EuGH EuZW 18, 341 = ECLI: EU:C:2018:133; BGH NJW 10, 1883, 1886 [BGH 25.03.2010 - I ZB 116/08]). Das ist gem § 232 nur teilweise der Fall, wird aber praktisch äußerst unterschiedlich gehandhabt. Um eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu ermöglichen, sollte deshalb stets beantragt werden, der Entscheidung eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen (s.a. oben Art 7 Rn 3).

 

Rn 2

Gem Abs 2 können Verstöße gegen Art 13 oder 14 geheilt werden, wenn sich aus dem Prozessverhalten des Schuldners der tatsächliche Zugang des jeweiligen Schriftstücks ergibt, zB bei einer schriftlichen Stellungnahme zu in dem Schriftstück enthaltenen Äußerungen. Ein sonstiger, dh nicht auf das konkrete Prozessverhalten bezogener Nachweis des tatsächlichen Zugangs führt aber nicht zur Heilung des Zustellungsmangels (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel Rz 2). Verstöße gegen Art 16 und 17 können nur gem Abs 1 geheilt werden.

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