Leitsatz (amtlich)

Zur Bestätigung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel nach einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren aufgrund der Verordnung/EG Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen = EuVTVO.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Beschluss vom 19.03.2007; Aktenzeichen 7 O 21/06 KfH 1)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Rechtspflegerin des LG Ravensburg vom 19.3.2007 - 7 O 21/06 KfH 1, aufgehoben.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Widerruf der Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin des LG Ravensburg vom 7.11.2006 - 7 O 21/06 KfH 1, als Europäischer Vollstreckungstitel (6.2.2007) wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt die Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 6.353,80 EUR.

 

Gründe

1. Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin ohne mündliche Verhandlung den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss der 7. KfH des LG Ravensburg vom 17.8.2006 - 7 O 21/06 KfH 1, durch den die Unterlassung von Wettbewerbsmaßnahmen angeordnet wurde; die Kosten des Verfahrens wurden der Antragsgegnerin auferlegt. Mit Beschluss vom 23.8.2006 wurde der Streitwert auf 1.000.000 EUR festgesetzt. Zur Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin vom 29.8.2006 wurde der Antragsgegnerin mit Verfügung vom 4.9.2006 eine Äußerungsfrist von 10 Tagen eingeräumt. Die Auslandszustellung der Schriftstücke erfolgte am 13.9.2006. Ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung oder den Kostenantrag ist nicht erfolgt.

Antragsgemäß erging am 7.11.2006 der Kostenfestsetzungsbeschluss über einen Erstattungsbetrag zu Lasten der Antragsgegnerin von 6.353,80 EUR. Dieser wurde am 17.11.2006 zugestellt und nicht angefochten. Am 5.2.2007 beantragte die Antragstellerin die Bestätigung des Festsetzungsbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel, dem am 6.2.2007 entsprochen wurde.

Am 23.2.2007 beantragte die Antragsgegnerin den Widerruf der Bestätigung, weil diese eindeutig zu Unrecht erteilt worden sei. Hierauf erging der Widerrufsbeschluss vom 19.3.2007. Gegen die am 23.3.2007 dem Antragstellervertreter zugestellte Entscheidung hat dieser per Telefax am 5.4.2007 (Eingang der Urschrift am 10.4.2007) Erinnerung eingelegt.

Der Antragsgegnervertreter ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und die Rechtspflegerin hat ohne Abhilfe die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung der Antragstellerin gegen den Widerrufsbeschluss der Rechtspflegerin vom 19.3.2007 ist zulässig (§§ 1081 Abs. 3, 319 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG; Geimer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 1081 Rz. 8 und § 319 Rz. 26).

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Auf den Antrag der Antragsgegnerin gem. Art. 10 Abs. 1b) EG-VO Europäische Vollstreckungstitel (Verordnung/EG Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen = EuVTVO) i.V.m. § 1081 ZPO hat die Rechtspflegerin den Widerruf der Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischen Vollstreckungstitel ausgesprochen, weil diese hinsichtlich der in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen eindeutig zu Unrecht erteilt worden sei.

Die EG-Verordnung erstreckt sich gem. Art. 3 Abs. 1 EuVTVO auf Entscheidungen über unbestrittene Geldforderungen. Was unter "Entscheidung" bzw. "Forderung im Sinn dieser Verordnung zu verstehen ist, ergibt sich aus deren Art. 4 Nr. 1 (der angelehnt ist an Art. 32 EG-VO Zivil- und Handelssachen = EuGVVO) bzw. Nr. 2. Unter den Begriff der "Entscheidung" fällt danach auch ein Kostenfestsetzungsbeschluss, der eine Forderung auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme tituliert. Darüber hinaus müssen gewisse "Mindeststandards" der Art. 12 ff. EuVTVO erfüllt sein. Das zu dem zu vollstreckenden Titel führende Verfahren muss den verfahrensrechtlichen Erfordernissen des 3. Kapitels der Verordnung genügen, insb. muss sichergestellt sein, dass dem Schuldner rechtliches Gehör gewährt worden ist (vgl. Wagner in NJW 2005, 1157 und in IPRax 2005, 401; je m.w.N.).

Bei einer isolierten Betrachtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 7.11.2006 als eigenständiger Vollstreckungstitel und "Entscheidung" i.S.v. Art. 4 Nr. 1 EuVTVO liegen die Bestätigungsvoraussetzungen nach dieser EG-Verordnung unstreitig vor. Der Kostenantrag wurde der Antragsgegnerin zur Stellungnahme binnen 10 Tagen zugestellt. Und erst nach Ablauf dieser Äußerungsfrist zur Gewährung des rechtlichen Gehörs wurde - fast zwei Monate nach der Zustellung - der Beschluss, der damit eine unbestrittene Geldforderung betraf, erlassen. Der Kostentitel wurde der Antragsgegnerin am 17.11.2006 zugestellt. Sie hat hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt.

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