Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Auf das Strafvollstreckungsverfahren erstreckt sich die Beiordnung nicht.
2. Die Beiordnung wirkt nach der von den LG und AG inzwischen mehrheitlich bestrittenen, in der (obergerichtlichen) Rspr. wohl aber noch hM immer nur ex nunc.
3. Die Beiordnung ist grds. auf die Person des bestellten Pflichtverteidigers beschränkt. Eine Unterbevollmächtigung ist nicht zulässig.
 

Rdn 3623

 

Literaturhinweise:

Allgayer, Vertretung bei Einlegung sowie Begründung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen, NStZ 2016, 192

Böß, Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, NStZ 2020, 185

Burhoff, Erstreckung der Bestellung eines Rechtsanwalts auch auf das Adhäsionsverfahren?, RVGreport 2008, 249

ders., Abrechnung der Tätigkeiten des Terminsvertreters im Strafverfahren, RVGprofessionell 2010, 153

ders., Persönlicher Geltungsbereich des Teils 4 VV RVG, eine Bestandsaufnahme der Rechtsprechung, RVGreport 2011, 85

ders., Die Vergütung des "Terminsvertreters" im Strafverfahren, RVGreport 2017, 242

ders., Anwaltsvergütung im strafverfahrensrechtlichen Adhäsionsverfahren, RVGreport 2018, 282

Gutt/Krenberger, Adhäsionsverfahren – Überblick und neue Rechtsprechung, zfs 2015, 489

Hillenbrand, Das neue Recht der Pflichtverteidigung – Teil II, StRR 3/2020, 4

Kotz, Eine Lanze für den Underdog – Zur Vergütungslage des bestellten Terminsvertreters in Strafsachen, StraFo 2008, 412

Müller-Jacobsen, Das neue Recht der notwendigen Verteidigung, NJW 2020, 575

Schnarr, Der bevollmächtigte Pflichtverteidiger und sein Stellvertreter, NStZ 1996, 214

s.a. die Hinw. bei → Pflichtverteidiger, Allgemeines, Teil P Rdn 3305.

 

Rdn 3624

1.a) Mit dem "Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung" v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128) verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Dauer und Aufhebung der Bestellung sowie den Wechsel des Verteidigers umfassend zu regeln (BT-Drucks 19/13829, S. 44). Diesem Anspruch ist er allerdings nicht vollständig gerecht geworden, weder für das Adhäsionsverfahren (s. Teil P Rdn 3876) noch für die Strafvollstreckung (s. Teil P Rdn 3636) wurden klare Regelungen geschaffen. Immerhin ist aber nunmehr für den Hauptanwendungsfall der Pflichtverteidigung, die Beiordnung im Erkenntnisverfahren, in § 143 Abs. 1 festgelegt, dass die Bestellung mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens einschließlich eines Verfahrens nach § 423 (Einziehung nach Abtrennung) oder nach § 460 (nachträgliche Gesamtstrafenbildung) endet. Wird das Verfahren im Anschluss an eine zunächst erfolgte Einstellung nach § 170 Abs. 2 wieder aufgenommen, bedarf es deshalb einer neuerlichen Beiordnungsentscheidung (OLG Celle, Beschl. v. 31.5.2021 – 5 StS 2/21; AGS 2021, 331).

 

☆ Es ist aber nicht in jedem Fall gewährleistet, dass der einmal beigeordnete Pflichtverteidiger dem Beschuldigten bis zum Abschluss des Verfahrens zur Seite steht. Vielmehr kann die Verteidigerbestellung nach § 143 Abs. 2 S. 1 aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht mehr vorliegen und Vertrauensschutzgesichtspunkte einer Rücknahme der Bestellung nicht entgegenstehen (→ Pflichtverteidiger, Entpflichtung/Verteidigerwechsel , Teil P Rdn  3510 ).aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht mehr vorliegen und Vertrauensschutzgesichtspunkte einer Rücknahme der Bestellung nicht entgegenstehen (→ Pflichtverteidiger, Entpflichtung/Verteidigerwechsel, Teil P Rdn 3510).

 

Rdn 3625

b) Mit dem ausdrücklichen Abstellen auf den Eintritt der Rechtskraft ist klargestellt, dass die Beiordnung sich auch auf das Revisionsverfahren einschließlich der Revisionshauptverhandlung erstreckt. Dort bedarf es lediglich dann noch einer gesonderten Bestellung, wenn die Notwendigkeit der Verteidigung erst im Revisionsverfahren entsteht (BT-Drucks 19/13829, S. 44), zuvor erfolgte Bestellungen wirken fort. Beschränkungen der Beiordnung, etwa auf das erstinstanzliche Verfahren, sind grds. nicht mehr zulässig (eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält § 418 Abs. 4 für das → Beschleunigte Verfahren, Teil B Rdn 1136, dort gilt die Beiordnung nach h.M. nur für das Verfahren vor dem AG, nicht aber in der Berufungsinstanz). Erfasst sind auch die Verfahren nach den § 57 JGG bzw. §§ 30, 62 JGG, da diese geeignet sind, den Inhalt des an sich rechtskräftig gewordenen Urteils zu ändern und noch nicht zum Bereich der Strafvollstreckung gehören (OLG Hamm, Beschl. v 11.8.2015 – 3 Ws 275/15; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.3.1998 – 3 Ws 53/98; vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Teil A: Umfang des Vergütungsanspruchs [§ 48 Abs. 1], Rn 2303 ff. m.w.N.).

 

☆ Eine Beschränkung des Gebühren (erstattungsanspruchs) des Verteidigers in der Bestellungsverfügung ist unzulässig , weil die Frage, welche Gebühren er aus der Staatskasse erstattet verlangen kann, erst im späteren Festsetzungsverfahren zu prüfen ist (vgl. u.a. zur Unzu...

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