Entscheidungsstichwort (Thema)

Eintritt der Genehmigungsfiktion im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht aus dem Vorbringen des Berufungsführers eindeutig hervor, dass und mit welchem Ziel er das Rechtsmittelverfahren durchführen möchte, so kann die Ausformulierung des Berufungsantrags (§ 124a Abs. 3 Sätze 1 und 4 VwGO) noch in der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden.

2. Der Beginn der den Unteren Bauaufsichtsbehörden in § 67 Abs. 5 Satz 1 LBO 1996 (nunmehr § 64 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004) eingeräumten Entscheidungsfrist im vereinfachten Genehmigungsverfahren von regelmäßig drei Monaten setzt nach dem klaren Wortlaut nicht das Vorliegen einer (positiven) Stellungnahme der Gemeinde zu dem jeweiligen Bauvorhaben im Sinne des § 36 BauGB (Einvernehmen) voraus. Einzige die befristete Entscheidungspflicht der Unteren Bauaufsicht auslösende Voraussetzung ist, dass der Bauwerber mit dem Bauantrag alles vorgelegt hat, was nach den einschlägigen Bestimmungen der Bauvorlagenverordnung zur Beurteilung seines Bauvorhabens durch die Bauaufsichtsbehörde erforderlich ist.

3. Auch dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 67 Abs. 5 Satz 5 LBO 1996, § 64 Abs. 3 Satz 5 LBO 2004) steht nicht entgegen, dass die Gemeinde ihr Einvernehmen im Sinne des auf die planungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens zielenden § 36 BauGB nicht erteilt hat.

4. Die fiktive Baugenehmigung ist verfahrensrechtlich und prozessual in jeder Hinsicht, insbesondere auch mit Blick auf die Rechtsstellung der Gemeinden (§ 36 BauGB), so zu behandeln wie eine in Schriftform durch Bauschein erteilte Baugenehmigung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 LBO 1996, heute § 73 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004).

5. Die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zur Bestätigung des Fiktionseintritts (§§ 67 Abs. 5 Satz 6 LBO 1996, 64 Abs. 3 Satz 5 LBO 2004) ist – anders als bei der eine positive Entscheidung über die materiellrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Rahmen des § 67 Abs. 2 LBO 1996 beinhaltenden Baugenehmigung selbst – nicht vom Vorliegen des gemeindlichen Einvernehmens abhängig.

 

Normenkette

LBO 1996 § 67 Abs. 5 S. 1; LBO 2004 § 64 Abs. 3 S. 1

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen einer Baugenehmigung für zwei auf dem Wohngrundstück der Kläger Parzellen Nr. 177/20 und Nr. 177/18 in Flur 4 der Gemarkung H (Anwesen A-Straße) in der Ortslage des Ortsteils H der Beigeladenen eingerichtete PKW-Stellplätze. Ein Bebauungsplan für den Bereich existiert nicht.

Mit Bauantrag vom 29.8.2002, beim Beklagten eingegangen am 2.9.2002, suchten die Kläger um die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung nach. Die beiden Stellplätze sind vor dem Wohngebäude zu einem dort befindlichen, insgesamt neun Baugrundstücke erschließenden Seitenast der G straße hin orientiert, an dem nach den Plänen außer demjenigen der Kläger noch sieben weitere Wohnhäuser errichtet sind. Im Einmündungsbereich zu dem südlich verlaufenden Hauptstrang der Straße sind im Lageplan mehrere Kfz-Abstellmöglichkeiten dargestellt.

Unter dem 15.1.2003 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass der Bauantrag bearbeitungsfähig sei und im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 67 LBO 1996 entschieden werde. Es seien indes noch „andere Stellen zu hören”. Mit gleicher Post wurde die Beigeladene um die Herstellung ihres Einvernehmens zu dem Vorhaben ersucht. Mit Eingang beim Beklagten am 6.2.2003 verweigerte die Beigeladene das Einvernehmen und verwies zur Begründung darauf, dass es sich bei dem als Zufahrt für die Stellplätze ausersehenen Weg um einen Wohnweg handele, der ausschließlich zum Be- und Entladen befahren werden solle.

Mit Bescheid vom 21.5.2003 lehnte der Beklagte den Bauantrag der Kläger ab und verwies zur Begründung auf seine Bindung an die negative Stellungnahme der Beigeladenen zu dem Vorhaben.

Der Bescheid wurde den Klägern am 24.5.2003 zugestellt. Mit Eingang am 11.6.2003 erhoben sie Widerspruch. Zur Begründung verwiesen die Kläger darauf, dass aufgrund der seit der Bauantragstellung verstrichenen Frist von mehr als achteinhalb Monaten bis zur Ablehnung vom Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 67 Abs. 5 Satz 5 LBO 1996 auszugehen sei, was der Beklagte auf ihr Verlangen zu bescheinigen habe. Die im Übrigen erst nach Eintritt der Genehmigungsfiktion erfolgte Einschaltung der Beigeladenen und deren Verweigerung des Einvernehmens könne eine andere Betrachtung nicht rechtfertigen. Die von der Beigeladenen angesprochene Zuwegung sei zudem von der Einrichtung der Stellplätze nicht betroffen. Inwieweit der als solcher bezeichnete „Wohnweg” hier relevant sein sollte, sei nicht erkennbar.

Der Widerspruch wurde mit auf die mündliche Verhandlung vom 27.2.2004 ergangenem Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, den Klägern stünd...

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