Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahren ohne Fahrerlaubnis. Inlandsungültigkeit einer EU-Fahrerlaubnis. Zum Nachweis eines Wohnsitzverstoßes unter Heranziehung von Informationen des Ausstellermitgliedstaates

 

Normenkette

StVG § 21; FeV §§ 7, 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Landau (Pfalz) (Entscheidung vom 21.04.2017; Aktenzeichen 3 Ns 7296 Js 3860/14)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 21. April 2017 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

Das Amtsgericht Germersheim hat den Angeklagten auf dessen Einspruch gegen den Strafbefehl vom 14. Mai 2014 mit Urteil vom 11. Juli 2016 eines Vergehens des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 50,-- EUR verurteilt. Auf die - unbeschränkt eingelegte - Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die Höhe des Tagessatzes auf 20,-- EUR ermäßigt und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten ist unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 27. Januar 2014 mit einem PKW die Germersheimer Straße in Lingenfeld. Dabei verfügte er lediglich über ein unter dem 7. Mai 2012 mit Geltung bis zum 7. Mai 2022 ausgestelltes tschechisches Führerscheindokument. Eine früher innegehabte deutsche Fahrerlaubnis für die Klasse B war ihm mit Urteil des Amtsgerichts Germersheim vom 13. Februar 2008 aufgrund einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden; eine zugleich angeordnete Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis war auf drei Monate festgesetzt. Das Landgericht hat angenommen, dass die dem Angeklagten in Tschechien erteilte Fahrerlaubnis ihn wegen eines Verstoßes gegen das sog. Wohnsitzerfordernis (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV) nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigte, weshalb sich der Angeklagte nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht habe. Gegen diese Würdigung wendet sich der Angeklagte im Rahmen seiner Sachrüge.

II.

Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Schuld- und Rechtsfolgeausspruchs hat einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat insbesondere ohne Rechtsfehler das Eintreten der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter Heranziehung von aus dem Ausstellermitgliedsstaat herrührenden Informationen belegt. Danach berechtigte die in Tschechien unter dem 7. Mai 2012 erworbene Fahrerlaubnis den Angeklagten nicht, in Deutschland ein erlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug zu führen.

1.

Das Landgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass nach Art. 2 Abs. 1 der hier anzuwendenden 3. Führerscheinrichtlinie (RL 2006/126/EG vom 20.12.2006; ebenso bereits die 2. Führerscheinrichtlinie - Art. 1 Abs. 2 der RL 91/439/EWG) in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Fahrerlaubnisse grundsätzlich anzuerkennen sind. Es ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs alleinige Sache des Ausstellermitgliedstaates zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, namentlich diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung (vgl. Art. 7 der 3. Führerscheinrichtlinie), eingehalten sind. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist generell als Nachweis dafür anzusehen, dass dessen Inhaber am Tag der Ausstellung die von der Richtlinie vorgesehenen (Mindest-)Voraussetzungen erfüllt hat (vgl. EuGH NJW 2010, 217; BVerwG, Urteil vom 30.05.2013 - 3 C 18/12, [...] Rn. 19 mwN. = BVerwGE 146, 377). Ausnahmen von der Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung hat der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Nichteinhaltung des Wohnsitzerfordernisses lediglich dann für mit den europarechtlichen Bestimmungen vereinbar gehalten, wenn entweder aus dem Führerscheindokument selbst oder anhand von aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen fest steht, dass die von der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nicht eingehalten worden sind (vgl. EuGH NJW 2008, 2403; 2011, 3635 [noch zur 2. Führerscheinrichtlinie] sowie die weiteren Nachweise bei Dauer in Hentschel/König/Dauer, StVR, 43. Aufl. FeV § 28 Rn. 26). Diese Rechtsprechung hat der deutsche Normgeber im Rahmen des § 28 Abs. 4 Nr. 2 der FeV in der bis 18.01.2009 geltenden Fassung bzw. in § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV in der ab 19.01.2009 geltenden Fassung dahingehend umgesetzt, dass nach dieser Vorschrift die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV nicht gilt (u.a.) für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentliche...

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