Entscheidungsstichwort (Thema)

EU-Faherlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

Inlandsungültigkeit einer EU-Fahrerlaubnis: Zum Nachweis eines Wohnsitzverstoßes unter Heranziehung von Informationen des Ausstellermitgliedstaates.

 

Normenkette

StVG § 21; FeV §§ 7, 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Zweibrücken (Entscheidung vom 29.03.2017; Aktenzeichen 3 Ns 4282 Js 3003/15)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 29. März 2017 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

 

Gründe

Das Amtsgericht Pirmasens hat den Angeklagten auf dessen Einspruch gegen den Strafbefehl vom 27. Juli 2015 mit Urteil vom 17. Mai 2016 zweier Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,-- EUR verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten mit Urteil vom 29. März 2017 kostenpflichtig als unbegründet verworfen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten ist nicht begründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte mit einem PKW jeweils in Pirmasens am 4. März 2015 den Berliner Ring und am 8. April 2015 die Straße Am Weißhof. Dabei verfügte er lediglich über ein unter dem 19. November 2014 ausgestelltes tschechisches Führerscheindokument. Eine früher innegehabte deutsche Fahrerlaubnis für die Klasse B war ihm mit am 5. August 2011 bestandskräftig gewordenen Bescheid der Stadtverwaltung Pirmasens aufgrund einer Fahrt unter Drogeneinfluss entzogen worden.

Das Landgericht hat angenommen, dass die dem Angeklagten in Tschechien erteilte Fahrerlaubnis ihn wegen eines Verstoßes gegen das sog. Wohnsitzerfordernis (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV) sowie im Hinblick auf den im Jahr 2011 erfolgten Fahrerlaubnisentzug (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV) nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigte, weshalb sich der Angeklagte nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar gemacht habe. Gegen diese Würdigung wendet sich der Angeklagte im Rahmen seiner Sachrüge.

II.

Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Schuld- und Rechtsfolgeausspruchs hat einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat insbesondere ohne Rechtsfehler das Eintreten der Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter Heranziehung von aus dem Ausstellermitgliedsstaat herrührenden Informationen belegt. Danach berechtigte die in Tschechien unter dem 19. November 2014 erworbene Fahrerlaubnis den Angeklagten nicht, in Deutschland ein erlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug zu führen.

1.

Entgegen der rechtlichen Annahme des Landgerichts lässt sich die Inlandsungültigkeit des in Tschechien ausgestellten Führerscheins allerdings nicht aus § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV herleiten. Denn diese Vorschrift greift aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz nicht ein, wenn die in einem Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis nach dem Ablauf einer im Aufnahmestaat verhängten Sperrfrist erworben oder wenn - wie hier - eine Sperrfrist gar nicht angeordnet worden ist (BVerwG NJW 2014, 2214, 2215 [Rz. 22] unter Verweis auf EuGH NJW 2006, 2173 und NJW 2012, 1935; s.a. EuGH NJW 2007, 1863 sowie Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. FeV § 28 Rn. 33 f.).

2.

Das Landgericht konnte die Inlandsungültigkeit der Fahrerlaubnis aber auf § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV stützen.

a) Das Landgericht hat hierbei nicht verkannt, dass nach Art. 2 Abs. 1 der hier anzuwendenden 3. Führerscheinrichtlinie (RL 2006/126/EG vom 20.12.2006; ebenso bereits die 2. Führerscheinrichtlinie - Art. 1 Abs. 2 der RL 91/439/EWG) in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Fahrerlaubnisse grundsätzlich anzuerkennen sind. Es ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs alleinige Sache des Ausstellerstaates zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, namentlich diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung (vgl. Art. 7 der 3. Führerscheinrichtlinie), eingehalten sind. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist generell als Nachweis dafür anzusehen, dass dessen Inhaber am Tag der Ausstellung die von der Richtlinie vorgesehenen (Mindest-)Voraussetzungen erfüllt hat (vgl. EuGH NJW 2010, 217; BVerwG, Urteil vom 30.05.2013 - 3 C 18/12, [...] Rn. 19 mwN. = BVerwGE 146, 377). Ausnahmen von der Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung hat der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Nichteinhaltung des Wohnsitzerfordernisses lediglich dann für mit den europarechtlichen Bestimmungen vereinbar gehalten, wenn entweder aus dem Führerscheindokument selbst oder anhand von aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen fest steht, dass die von der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die...

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