Entscheidungsstichwort (Thema)

Führerschein. Entziehung der inländischen Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr. Nichtvorlage eines für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis im Aufnahmemitgliedstaat erforderlichen medizinisch-psychologischen Gutachtens. In einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein. Überprüfung der Voraussetzung des Wohnsitzes durch den Aufnahmemitgliedstaat. Möglichkeit, sich auf die Informationen zu stützen, die der Führerscheininhaber aufgrund einer ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats auferlegten Mitwirkungspflicht angegeben hat. Möglichkeit, im Ausstellungsmitgliedstaat Nachforschungen anzustellen

 

Normenkette

EuGH-VerfO Art. 104; Richtlinie 91/439/EWG

 

Beteiligte

Wierer

Kurt Wierer

Land Baden-Württemberg

 

Tenor

Die Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehren, es abzulehnen, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrberechtigung einer Person anzuerkennen, die sich aus einem später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ergibt, wenn auf diese Person zuvor im Aufnahmemitgliedstaat eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr angewendet worden ist und wenn dieser zweite Führerschein außerhalb einer Sperrzeit für die Erteilung eines neuen Führerscheins erteilt wurde, falls sich herausstellt,

  • dass auf der Grundlage der Erklärungen und Informationen, die der Inhaber dieses Führerscheins im Verwaltungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren in Erfüllung einer ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats auferlegten Mitwirkungspflicht gegeben hat, die Wohnsitzvoraussetzung vom Mitgliedstaat der Ausstellung dieses Führerscheins nicht beachtet worden ist

    oder

  • dass die Informationen, die bei Ermittlungen der nationalen Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats im Ausstellermitgliedstaat gewonnen wurden, keine von diesem Mitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen sind, die beweisen, dass der Führerscheininhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung eines Führerscheins durch den Ausstellermitgliedstaat seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in dessen Hoheitsgebiet hatte.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. September 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Oktober 2008, in dem Verfahren

Kurt Wierer

gegen

Land Baden-Württemberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), der Richter A. Ó Caoimh und U. Lõhmus, der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: R. Grass,

gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Wierer und dem Land Baden-Württemberg wegen der Anerkennung der Fahrerlaubnis, die er nach der Entziehung seiner deutschen Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr in Polen erworben hat, durch die deutschen Behörden.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439, mit der mit Wirkung ab 1. Juli 1996 die Erste Richtlinie 80/1263/EWG des Rates vom 4. Dezember 1980 zur Einführung eines EG-Führerscheins (ABl. L 375, S. 1) aufgehoben worden ist, lautet:

„Um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muss.”

Rz. 4

Im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Aus Gründen der Sicherheit im Straßenverkehr sind Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins festzulegen.”

Rz. 5

Im letzten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 wird ausgeführt:

„Außerdem sollten aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Straßenverkehrs die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis ...

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