Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert in Ehesachen bei ratenfreier Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Bemessung des Streitwerts in Ehesachen ist es grundsätzlich ohne Belang, ob den Ehegatten Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt worden ist. Dies allein rechtfertigt nicht die Annahme nur des Mindestwertes.

 

Verfahrensgang

AG Pirmasens (Beschluss vom 17.09.2003; Aktenzeichen 1 F 222/03)

 

Tenor

I. Der Beschluss vom 17.9.2003 wird geändert:

Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 3.779,79 Euro festgesetzt.

II. Die Rechtsbeschwerde wird für die Landeskasse zugelassen.

 

Gründe

Das FamG hat beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnungen für das Scheidungsverfahren bewilligt. Nach Abtrennung des Versorgungsausgleichs wurde mit Urteil vom 17.9.2003 die Scheidung ausgesprochen und mit Beschluss vom gleichen Tage der Streitwert hierfür auf 2.000 Euro festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der auf der Grundlage eines monatlichen Nettoeinkommens des Antragsgegners vor Antragstellung eine Streitwertfestsetzung auf 3.779,79 Euro erstrebt.

Der Bezirksrevisor beim LG Zweibrücken ist dem unter Hinweis auf die Zahlung von Kindesunterhalt durch den Antragsteller i.H.v. 379 Euro monatlich, eine Ratenverpflichtung i.H.v. 179 Euro (richtig: 172 Euro) monatlich und auf den geringen Umfang des Verfahrens nach übereinstimmendem Scheidungsantrag beider Parteien entgegengetreten.

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten ist gem. den §§ 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG statthaft und begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Das Rechtsmittel ist begründet.

Gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 GKG ist der Streitwert in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insb. des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 GKG ist in Ehesachen für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen.

Der vom FamG gewählte Ansatz, im Regelfall sei unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen nur der Mindestwert nach § 12 Abs. 2 S. 4 GKG i.H.v. 2.000 Euro anzusetzen, wenn beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, lässt sich mit dieser gesetzlichen Regelung nicht vereinbaren (ebenso OLG Hamburg, v. 3.3.2003 – 12 WF 23/03, OLGReport Hamburg 2003, 252 = MDR 2003, 830 = FamRZ 2003, 1681; OLG Celle v. 21.3.2002 – 10 WF 44/02, OLGReport Celle 2002, 153; OLG Karlsruhe v. 14.12.2001 – 5 WF 190/01, FamRZ 2002, 1135; OLG Zweibrücken JurBüro 1984, 900 = Kostenrechtsprechung GKG, § 12 Nr. 73; a.A.: OLG Stuttgart v. 25.1.2000 – 18 WF 579/99, FamRZ 2000, 1518; AGS 2001, 12, zit. nach juris). Für die Festsetzung von Ratenzahlungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind nach § 115 ZPO Gesichtspunkte maßgeblich, auf die es für die Streitwertfestsetzung nicht ankommt, etwa die Kosten der Unterkunft und Heizung oder die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§§ 115 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 ZPO, 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG).

Wenn der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 S. 2 GKG für die maßgeblichen Einkommensverhältnisse auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute verweist, sind hierzu Einkünfte aller Einkommensarten zu rechnen, bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit einschl. 13. Monatsgehalt, vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers und Naturalleistungen abzgl. gesetzlicher Steuern und Vorsorgeaufwendungen (vgl. zu dem Begriff des Nettoeinkommens etwa Internet-Seite des Bundesamtes für Statistik, Wiesbaden, 2003). Dagegen sind Abzüge für Ratenzahlungen und Unterhaltslasten für die Ermittlung des Nettoeinkommens außer Acht zu lassen.

Soweit in Rspr. und Lit. vertreten wird, dass im Einzelfall weitere Abzüge für Unterhaltsverpflichtungen und für Verbindlichkeiten bei der Wertfestsetzung beachtlich sein können (vgl. dazu etwa OLG Hamburg v. 3.3.2003 – 12 WF 23/03, OLGReport Hamburg 2003, 252 = MDR 2003, 830 = FamRZ 2003, 1681; OLG Brandenburg v. 24.3.2003 – 9 WF 21/03, FamRZ 2003, 1676; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 12 Rz. 20; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 12 GKG Rz. 39 f.), kann dies hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls rechtfertigt im vorliegenden Fall eine Ratenverpflichtung von monatlich 172 Euro und die Unterhaltslast für drei minderjährige Kinder der Parteien eine Streitwertverminderung nicht. Bei Einreichung des Antrags zahlte der Antragsteller mit 347 Euro monatlich einen Gesamtunterhalt, welcher noch deutlich unterhalb des von der Antragsgegnerin bezogenen staatlichen Kindergeldes lag, welches nicht gesondert als Einkommen angesetzt wird. Zahlungsverpflichtungen in einem den Einkommensverhältnissen entspr. Umfang, etwa für Verbraucherkredite, vermögen die Bedeutung einer Ehesache nicht mit zu bestimmen. Eine unterhaltsrechtliche Einkommensbestimmung ist nach der gesetzlichen Regelung nicht vorz...

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