Leitsatz (amtlich)

1.) Ist - wie in Bayern - die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen als hoheitliche Wahrnehmung von Amtspflichten ausgestaltet, dann handeln Mitarbeiter eines Privatunternehmens, das von dem Träger der Straßen bau last mit dem Mähen von Straßenbegleitgrün beauftragt worden ist, bei Durchführung der Mäharbeiten als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn.

2.) Für dabei verursachte Schäden haftet der Träger der Straßenbau last.

 

Normenkette

GG Art. 34; BGB § 839; BayStrWG Art. 2, 9, 72

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 08.04.2010; Aktenzeichen 3 O 9654/09)

 

Gründe

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 8.4.2010 - 3 O 9654/09, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern.

Der Senat hat die gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände geprüft und gewürdigt. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte können ihr jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.

II. Der Kläger hat keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des LG begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage zu Recht wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen. Für die vom Kläger behauptete fahrlässige Schadensherbeiführung der Beklagten haftet gem. Art. 34 GG nicht die Beklagte selbst, sondern die öffentlich-rechtliche Anstellungskörperschaft, die der Beklagten die Aufgabe übertragen hat, bei deren Wahrnehmung die behauptete Pflichtverletzung vorgekommen ist. Die Beklagte handelte bei ihren Mäharbeiten gemäß Art. 72 BayStrWG in Ausübung eines öffentlichen Amtes und somit als Beamtetfm haftungsrechtlichen Sinn, Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB.

Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend zu den Entscheidungsgründen des LG noch Folgendes auszuführen:

1.) Mit dem Mähen des Grünstreifens erfüllte die Beklagte eine ihr anvertraute Amtspflicht i.S.v. Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB.

Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen ist in Bayern als hoheitliche Wahrnehmung von Amtspflichten ausgestaltet, Art. 72 BayStrWG. Zuständig hierfür ist gem. Art. 9 Abs. 1 BayStrWG der jeweilige Träger der Straßenbaulast.

Zu den Straßen i.S.d. Art. 72 BayStrWG zählen gem. Art. 2 Nr. 1a und Nr. 3 nicht nur die Fahrbahndecke selbst, sondern auch Gräben Böschungen und deren Bepflanzung. Ausweislich der vorliegenden Lichtbilder des streitgegenständlichen Grünstreifens befindet sich dieser am Rand der öffentlichen Straße "H W]" in F und läuft in einen Wassergraben aus. In den Ausschreibungsunterlagen der Stadt F (Anl. K1) wird der Grünstreifen ausdrücklich als "Straßenbegleitgrün" bezeichnet.

Damit umfasst der Umfang der Verkehrssicherungspflicht als hoheitliche Aufgabe des Trägers der Straßenbaulast auch das Mähen des zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifens. Die Mäharbeiten erfolgten in Ausübung eines öffentlichen Amtes i.S.d. Art. 34 GG (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2002, NZV 2003, 125; OLG Rostock, Urt. v. 9.5.2008, MDR 2008, 1101; OLG Stuttgart, Urt. v. 11.9.2002, VersR 2002,1572).

2.) Die Beklagte, eine privatrechtliche Einzelhandelsfirma, handelte bei Durchführung der Mäharbeiten als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn.

Für die Amtshaftung ist allein die Tatsache entscheidend, dass öffentliche Gewalt ausgeübt worden ist. Deshalb kann Beamter im haftungsrechtiichen Sinne auch ein Privatrechtssubjekt sein. Voraussetzung ist nur, dass der Privatperson im Zusammenhang mit ihrer im Übrigen privatrechtlichen Tätigkeit die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Funktionen anvertraut worden ist (Papier in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 839 Rz. 132).

Setzt eine öffentlich-rechtliche Körperschaft zur Erfüllung ihrer hoheitüchen Aufgaben selbständige Privatunternehmen ein, so ist bei der Einordnung des Privatunternehmens als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn nach der neueren Rechtsprechung des BGH zu unterscheiden:

"Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitüchen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Danach kann sich die öffentliche Hand jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung der Amtshaf...

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