Leitsatz (amtlich)

1. Einem Sicherungsverlangen des Bauhandwerkers nach § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB n.F. steht nicht entgegen, dass der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen der Nichterfüllung des Sicherungsverlangens bereits gekündigt hat.

2. Liegt einem Einheitspreisvertrag nach der VOB/B 2016 kein vollständiges konstruktives Leistungsverzeichnis zugrunde, sondern im Wesentlichen eine Musterbaubeschreibung mit dem Charakter einer funktionalen Leistungsbeschreibung und eine standardisierte Einheitspreisliste, ergeben sich besondere Probleme für die schlüssige Darlegung sämtlicher vertraglich vereinbarter Vergütungsansprüche.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 27.10.2020; Aktenzeichen 10 O 507/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. Oktober 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin jeweils Sicherheit gemäß § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB n.F. i.V.m. §§ 232 ff. BGB in Höhe von 16.485,84 EUR für das Bauvorhaben "D. -Markt" auf dem Anwesen T. Straße 12 /F. Straße 14 in B. sowie in Höhe von 63.891,38 EUR für das Bauvorhaben "E. -Markt" auf dem Anwesen C. Straße 118 in B. zu leisten.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch den Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 160.844,39 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Stellung von zwei Sicherheiten für Restwerklohn, bezogen auf zwei Bauvorhaben in B..

Bauvorhaben D. -Markt B. P.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin, damals noch firmierend unter G. GmbH, mit dem am 15.03.2017 geschlossenen Bauvertrag (Anlage K 14) als Nachauftragnehmerin mit Arbeiten des Gewerks Heizung, Lüftung, Sanitär und Kälte (HLSK) für das Bauvorhaben "Neubau eines D. -Marktes T. Straße 12 /F. Straße 14 in B.". Grundlagen des Vertrages waren vor allem die Baubeschreibung der Hauptauftraggeber, Version 16.1.0 (Anlage KB 39) mit einer funktionalen Baubeschreibung, Ausführungspläne der Beklagten (Anlagen KB 42) sowie die VOB/B in ihrer aktuellen Fassung. Ein Angebot der Klägerin wurde in der Vertragsurkunde nicht in Bezug genommen, aber eine vorläufige Auftragssumme "nach den zugrundeliegenden Einheitspreisen" in Höhe von 190.000,00 EUR netto zzgl. Mehrwertsteuer. Die Prozessparteien haben klargestellt, dass der Vertrag als Einheitspreisvertrag geschlossen wurde. Abschlagszahlungen sollten nach Baufortschritt geleistet werden.

Die Klägerin erbrachte die Vertragsleistungen lediglich teilweise. Der Markt wurde im Juli 2019 in Nutzung genommen.

Während der Arbeiten erstellte die Klägerin insgesamt vier Abschlagsrechnungen, und zwar am 16.12.2017, am 27.02.2018, am 23.09.2018 und am 15.02.2019. Im Begleitschreiben zur 4. Abschlagsrechnung erklärte die Klägerin, dass sie eine (Teil-) Abrechnung nach tatsächlichem Materialaufwand und nach einem Stundenlohn für Montageleistungen vorgenommen habe, weil konkrete Einheitspreise für Leistungspositionen mit ausschließlich Material oder ausschließlich Stundenlohnarbeiten nicht vereinbart worden seien. Die Beklagte wies diese Art der Abrechnung zurück.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 03.04.2019 zur Stellung einer Sicherheit nach § 648a BGB a.F. i.H.v. 127.000,00 EUR bis zum 16.04.2019 auf (Anlage K 17). Eine Erläuterung des Betrages erfolgte nicht. Nach Ablauf dieser Frist erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 17.04.2019 die Kündigung des Vertragsverhältnisses (Anlage K 18).

Die Klägerin erstellte unter dem 10.12.2019 eine Schlussrechnung für erbrachte Leistungen einschließlich Regieleistungen mit Nr. 1912 3240 (Anlage K 22) in Höhe von insgesamt 99.104,39 EUR netto, so dass unter Berücksichtigung der Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 63.000,00 EUR eine Restforderung in Höhe von 36.104,39 EUR netto verblieb. Der Rechnung war eine Leistungsaufstellung vom 09.12.2019 nach Positionsnummern eines Leistungsverzeichnisses beigefügt (Anlage K 22a).

Ebenfalls unter dem 10.12.2019 erteilte die Klägerin der Beklagten eine Schlussrechnung für nicht erbrachte Leistungen mit Nr. 1912 3241 (Anlage K 23) in Höhe von insgesamt 23.764,56 EUR netto. Der Rechnung war eine Aufstellung einzelner Leistungspositionen unter Aufführung der jeweils ersparten Aufwendungen beigefügt.

Bauvorhaben E. -Markt B. M.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin w...

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