Leitsatz (amtlich)

1. Eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch nach Kündigung des Bauvertrags verlangt werden.

2. Nach der Kündigung des Bauvertrags wegen des Ausbleibens einer Bauhandwerkersicherung muss der Unternehmer die Höhe der ihm nach der Kündigung auf der Grundlage der getroffenen vertraglichen Vereinbarung zustehenden Vergütung schlüssig darlegen.

3. Hierzu genügt die schlüssige Darlegung der ursprünglich vereinbarten Vergütung nicht, der Unternehmer muss vielmehr die Höhe der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt des Sicherungsverlangens darlegen. Dazu muss er nach Kündigung grundsätzlich eine Abrechnung der erbrachten und nicht erbrachten Leistungen vornehmen. Eine entsprechende Darlegung erfolgt in der Regel durch eine Schlussrechnung.

4. Ausnahmsweise muss der Unternehmer für die schlüssige Darlegung der zu sichernden Forderung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht näher unterscheiden und zur Darlegung der abzusichernden Vergütung keine Schlussrechnung erstellen, wenn sich die Höhe des Sicherungsverlangens ohne Weiteres aus Gesetz (§ 650f Abs. 5 Satz 2 HS 1 BGB) und der vertraglich vereinbarten (Pauschalfestpreis-)Vergütung ergibt. Das ist der Fall, wenn der Unternehmer 5 % des vereinbarten Pauschalpreises, bestehend aus der gesetzlich vermuteten Pauschale von 5% für die nicht erbrachten Leistungen und einem Teil des Werklohns von 5% für die erbrachten Leistungen, die grundsätzlich vollständig zu vergüten wären, geltend macht.

5. Eine vertragliche Regelung, die im Falle einer Kündigung des Unternehmers aus wichtigem Grund den Vergütungsanspruch auf die erbrachte Leistung beschränkt, entfaltet für eine Kündigung nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB gemäß § 650f Abs. 7 BGB keine Wirksamkeit.

6. Wird über Einwendungen des Bestellers gegen den Werklohnanspruch des Unternehmers ein eigenständiger Zivilprozess geführt, steht einer Aussetzung des Zivilprozesses über eine Bauhandwerkersicherung das Sicherungsinteresse des Unternehmers entgegen, denn der Gesetzgeber wollte dem Unternehmer mit § 650f BGB die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall zu erlangen, dass der Besteller ihn nicht bezahlt.

 

Normenkette

BGB § 650f Abs. 1, 5, 7; ZPO § 148

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 29.03.2022; Aktenzeichen 24 O 245/21)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.01.2024; Aktenzeichen VII ZR 34/23)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.03.2022, Az. 24 O 245/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 216.700,00 EUR

 

Gründe

A. I. Die Parteien, die auch Verträge über die Erstellung weiterer Bauvorhaben abgeschlossen haben, streiten um eine Bauhandwerkersicherung.

Am 23.04.2021 schlossen die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die A. GmbH, einen Generalübernehmervertrag (Anlage SR 1, 1 Anlagenheft LGA) für die schlüsselfertige Errichtung eines Gesundheitscampus mit einer Kindestagesstätte mit fünf Gruppen und Pflegeeinrichtung auf dem Grundstück B. in R. zu einem Pauschalfestpreis von 9.340.000,00 EUR brutto.

Auf die erste Abschlagsrechnung der Klägerin vom 23.04.2021 über 520.000,00 EUR brutto für Planungsleistungen und Projektentwicklung (Anlage SR 4, 61 Anlagenheft LGA) bezahlte die Beklagte am 25.05.2021 einen Teilbetrag von 270.000,00 EUR (Anlage B 12, 240 Anlagenheft LGA).

Am 26.04.2021 stellte Herr K., kurz nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der Beklagten - eingetragen in das Handelsregister am 12.04.2021 -, für die K. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist, an die Klägerin eine Rechnung über 238.000,00 EUR brutto für die Konzeptionierung und die Verhandlung bezüglich des streitgegenständlichen Bauvorhabens.

Mit Schreiben vom 27.05.2021 (Anlage SR 7, 65 Anlagenheft LGA) verlangte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 09.06.2021 eine Bauhandwerkersicherung nach § 650f Abs. 1 BGB von 9.977.000,00 EUR.

Nachdem die Bauhandwerkersicherung nicht gestellt wurde, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2021 (Anlage SR 8, 68 Anlagenheft LGA) die außerordentliche Kündigung des Generalübernehmervertrags aus wichtigem Grund.

Mit Schreiben vom 16.06.2021 (Anlage B 14, 243 Anlagenheft LGA) erklärte die Beklagte (ebenfalls) die fristlose Kündigung des Generalübernehmervertrags. Begründet wurde dies mit der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Kündigungsmöglichkeit nach § 650f BGB und den Schwierigkeiten bei der Ausführung der anderen Bauvorhaben. Nachträglich machte die Beklagte zudem geltend, d...

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