Leitsatz (amtlich)

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind nach § 50 FGG greift in die Rechte des Sorgeberechtigten ein und ist mit der – einfachen – Beschwerde anfechtbar.

 

Verfahrensgang

AG Magdeburg (Aktenzeichen 271 F 99/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG – FamG – Magdeburg vom 23.1.2002 – 271 F 99/01, aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beschwerde der Kindesmutter vom 15.8.2002 (Bd. II Bl. 221 d.A.) gegen die mit Beschluss des AG vom 23.1.2002 (Bd. I Bl. 80 d.A.) angeordnete Verfahrenspflegschaft für das Kind M.A. A. ist formell zulässig (1) und in der Sache begründet (2).

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Die in der Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilte Frage, ob Eltern die Anordnung einer Verfahrenspflegschaft für ihr Kind gem. § 50 FGG anfechten können -

dafür: OLG Hamburg v. 11.5.2000 – 12 WF 76/00, FamRZ 2001, 34; KG v. 16.12.1999 – 19 WF 8877/99, KGReport Berlin 2000, 102 = NJW 2000, 2596 = KG FamRZ 2001, 1537; OLG Düsseldorf v. 12.11.1999 – 6 WF 154/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 183 = NJW 2000, 1274 = FamRZ 2000, 1298; OLG Dresden v. 4.1.2000 – 20 WF 608/99, OLGReport Dresden 2000, 267 = FamRZ 2000, 1296; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1296; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293; OLG München FamRZ 1999, 667; OLG Hamm FamRZ 1999, 41; Maurer in: FamRefK, 1998, § 50 FGG, Rz. 36; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl. 1999, § 50, Rz. 10);

dagegen: OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1295; OLG Celle NJW 2000, 1273; OLG Naumburg v. 12.7.2000 – 8 UF 106/00, MDR 2000, 1322 mit abl. Anm. Marquardt; OLG Düsseldorf v. 20.4.1999 – 7 WF 47/99, FamRZ 2000, 249; Engelhardt und Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 50 Rz. 26 und § 19 Rz. 5) –,

wird vom Senat positiv beantwortet.

Die Statthaftigkeit der Beschwerde und die Beschwerdebefugnis der Eltern bei Anordnung einer Verfahrenspflegschaft für das Kind folgt, mangels spezieller Regelung in § 50 FGG, aus den allgemeinen Verfahrensvorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit, d.h. sowohl aus einer verfassungskonform extensiven Auslegung der §§ 19, 20 FGG (a) wie auch aus der Regelung des § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG (b).

a) gem. § 19 FGG in Verb. mit § 621a Abs. 1 S. 1 und § 621 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO findet gegen Verfügungen des Gerichts erster Instanz, das sind Entscheidungen mit Außenwirkung, die keine Endentscheidungen i.S.d. § 621e Abs. 1 ZPO darstellen, die Beschwerde statt, soweit durch sie Rechte der Beteiligten gem. § 20 FGG beeinträchtigt werden können (vgl. Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, 14. Aufl, § 19 FGG Rz. 2, 9 ff. m.w.N.). Es kann nach Ansicht des Senats keinem Zweifel unterliegen, dass durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind wenigstens mittelbar in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG, das prinzipiell die Wahrnehmung sämtlicher Belange und Interessen des Kindes umfasst, eingegriffen wird, sodass in verfassungskonformer extensiver Auslegung der einfachgesetzlichen Vorschriften der §§ 19, 20 FGG von einer Statthaftigkeit der Beschwerde und einer Beschwerdebefugnis der Eltern, wie hier der Beschwerde führenden Kindesmutter, auszugehen ist.

Ein allgemeiner Grundsatz, dass im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit generell, auch bei möglicher Beeinträchtigung von Rechten der Verfahrensbeteiligten, Zwischenverfügungen nicht anfechtbar seien, ist weder feststellbar, noch wäre er in concreto hinnehmbar.

Eine womöglich gegenteilige Absicht des Gesetzgebers in diesem speziellen Falle, wie sie der eine Anfechtbarkeit der Pflegerbestellung verneinenden Stellungnahme der Bundesregierung zu § 50 FGG im Gesetzgebungsverfahren zu entnehmen sein mag (BT-Drucks. 13/4899, 172), hat keinen Niederschlag im Gesetz gefunden und ist von daher wie auch in Anbetracht der Priorität des zugleich berührten Verfassungsrechts irrelevant. Auch vornehmlich prozessökonomisch motivierte Erwägungen der Verfahrensbeschleunigung, die demgegenüber für einen Ausschluss des Anfechtungsrechtes ins Feld geführt werden, vermögen insoweit als allenfalls nachrangig, bei Unergiebigkeit der etablierten Auslegungsregeln, in Zweifelsfällen berücksichtigungsfähiger Topos der juristischen Argumentation nicht zu verfangen. Der Wortlaut der §§ 19, 20 FGG steht einem Anfechtungsrecht der Eltern bei Bestellung eines Verfahrenspflegers mitnichten entgegen, der verfassungsrechtlich akzentuierte Gesetzeszweck erheischt eine Beschwerdebefugnis der Eltern, ohne dass sich eine gegenteilige Intention des Gesetzgebers verbindlich feststellen ließe.

b) Im Übrigen folgt die Beschwerdeberechtigung der Kindeseltern gegen die Bestellung eines Verfahrenspflegers auch aus § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG.

Danach steht, unbeschadet der Vorschrift des § 20 FGG, die Beschwerde gegen eine Verfügung, die, wie hier die Bestellung eines Verfahrenspflegers im Sorge- und Umgangsrechtsverfahren, eine Entscheidung über eine die Sorge für die Person des Kindes (oder des Mündel...

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