Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Wird das Verhalten des Angeklagten in der Anklage nur unter dem Gesichtspunkt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gewürdigt und nicht erwähnt, dass er bei dieser Fahrt einen Unfall verursacht hat, so hindert dies das Tatgericht nicht, den Angeklagten wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit der Schädigung Dritter zu verurteilen.

  • 2.

    Der Unterbrechung der Verjährung bezüglich der Verkehrsordnungswidrigkeit durch die Erhebung der öffentlichen Klage steht nicht entgegen, dass darin der Unfall dem Angeklagten nicht zum Vorwurf gemacht wurde. Eine Handlung, die auf die Verfolgung des Täters wegen einer Tat im Sinn des § 264 StPO abzielt, unterbricht die Verjährung insgesamt, und zwar unabhängig davon, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt sie die Tat würdigt.

 

Tatbestand

1.

Durch Strafbefehlsantrag vom 24.9.2004, der am 29.9.2004 bei Gericht eingegangen ist, legte die Staatsanwaltschaft dem am 12.1.1986 geborenen Angeklagten folgenden Sachverhalt zur Last:

Sie fuhren am 26.5.2004 gegen 12.50 Uhr mit dem Kraftrad, Typ Suzuki, Kennzeichen, auf dem Mittleren Stadtbach in Günzburg, obwohl Sie die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatten. Das Motorrad war nicht auf 25 kW Leistung gedrosselt. Sie hatten anstatt der erforderlichen Fahrerlaubnis der Klasse A nur die Klasse A1. Dies wussten Sie.

Sie werden daher beschuldigt, vorsätzlich ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl Sie die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatten, strafbar als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.

Mit Verfügung vom 1.10.2004 beraumte das Amtsgericht Günzburg Termin zur Hauptverhandlung an. In der Sitzung wurde der Angeklagte darauf hingewiesen, dass eine fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StVO, § 24 StVG vorliegen könne.

Durch Urteil vom 15.2.2005 hat der Jugendrichter bei dem Amtsgericht Günzburg gegen den Angeklagten wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit der Schädigung Dritter eine Geldbuße von 50 EUR festgesetzt; vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde er freigesprochen. Die Entscheidung enthält u.a. folgende Feststellungen:

Der ledige Angeklagte absolviert eine Ausbildung zum Karosseriebauer im 1. Lehrjahr. Er besitzt den Führerschein der Klassen A und B seit dem 10.5.2004. ...

Der Angeklagte erwarb im Februar 2004 ein Kraftrad Suzuki mit einer Nennleistung von 72 kW. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade dabei u.a. den Führerschein der Klasse A zu erwerben. Damit durfte er Krafträder bis zu einer Leistung von 25 kW steuern. Das Kraftrad wurde daher unmittelbar nach der Zulassung am 26.5.2004 zur Firma Bayer nach Senden verbracht. Dort wurde es gedrosselt.

Aufgrund fehlerhaft eingebauter Drosselklappen erfolgte jedoch eine Leistungsreduzierung auf nur 40 bis 50 kW. Dies war dem Angeklagten nicht bekannt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass er es auf der Fahrt von Senden nach Günzburg (Landstraße bei 80 bis 90 km/h, Fahrstrecke etwa 35 km) bemerkt hat.

In Günzburg stellte er am 26.5.2004 gegen 12.45 Uhr das Kraftrad mit dem amtlichen Kennzeichen auf dem Mittleren Stadtbach ab, um es seinem Cousin vorzuführen.

Nachdem dieser nicht zuhause war, setzte sich der Angeklagte, zumindest beobachtet von einer Verwandten, auf das Kraftrad und fuhr damit los. Dabei gab er zuviel Gas, das Kraftrad kam bei einer Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h ins Schlingern und der Angeklagte prallte gegen einen Personenkraftwagen. ...

2.

Mit der Revision rügte der Verteidiger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Da der Verkehrsunfall nicht Gegenstand der Anklage sei und die Ordnungswidrigkeit nicht in Tateinheit zu dem angeklagten Schuldvorwurf stehe, hätte der Angeklagte nicht wegen der Ordnungswidrigkeit verurteilt werden dürfen. Einer nachträglichen Einbeziehung in das Verfahren stehe auch die Verjährung entgegen. Die Revision erwies sich als zulässig, aber unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel des Angeklagten ist als Sprungrevision gemäß § 335 StPO statthaft; die Bestimmung über das Wahlrechtsmittel nach § 55 JGG ist nicht einschlägig, da kein Jugendstrafrecht angewandt wurde (vgl. §§ 105, 109 Abs. 2 JGG). Auch wenn lediglich auf eine Geldbuße erkannt wurde, sind die Rechtsmittel der Strafprozessordnung und nicht die des Ordnungswidrigkeitengesetzes (vgl. §§ 79, 80, 83 OWiG) gegeben, weil das Verfahren nur eine einzige Tat im prozessualen Sinn zum Gegenstand hat (BGHSt 23, 270/272; OLG München NJW 1970, 261; Göhler OWiG 13. Aufl. § 82 Rn. 25, § 83 Rn. 8), die sowohl das Tatgeschehen zum Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis als auch den Unfall umfasst. Die Fahrt, hinsichtlich derer dem Angeklagten ein Fahren ohne Fahrerlaubnis zur Last lag, ist denknotwendige Voraussetzung für das Unfallgeschehen. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis würde mit dem auf dieser Fahrt begangenen Verkehrsverstoß Tateinheit gemäß § 52 StGB bilden; materiell-rechtlich in Tateinheit stehende Delikte stellen regelmäßig auch verfahrensre...

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