Entscheidungsstichwort (Thema)

Verursachung der Berufsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Verursachung der Berufsunfähigkeit durch vorsätzliche oder versuchte Ausführung einer Straftat liegt nicht vor, wenn der Versicherte durch Maßnahmen der Strafverfolgung (Hausdurchsuchung, Untersuchungshaft) seelische Schäden davon trägt, die ihm die Ausübung seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit unmöglich machen.

Einer Leistungspflicht des Versicherers wegen Berufsunfähigkeit steht nicht entgegen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt des Eintritts oder des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit sich in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet.

 

Normenkette

AVB Berufsunfähigkeitsversicherung §§ 2, 5a

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 26.11.2014; Aktenzeichen 9 O 4/11)

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Versicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit. In den Vertragsbedingungen -AVB - heißt es auszugsweise:

§ 2 Eintritt der Berufsunfähigkeit

1. Berufsunfähigkeit tritt ein, wenn die versicherte Person für voraussichtlich wenigstens 6 Monate

a) infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls zu mindestens 50 % ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, weiter auszuüben und

b) aus Erwerbstätigkeit, auch aus einem anderen Beruf, kein Brutto-Monatseinkommen bezieht, das den Betrag des zulässigen Resteinkommens (§ 3) übersteigt.

2. Zur Ausübung seines Berufes außerstande ist nicht, wer seinen Beruf unter möglicher und zumutbarer Verwendung medizinischer oder allgemein verfügbarer technischer Hilfsmittel ausüben kann. Selbstständige sind zur Ausübung ihres Berufes auch dann nicht außer Stande, wenn eine Umorganisation des Arbeitsplatzes möglich und zumutbar ist.

3. Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit ist der Tag, an dem die maßgeblichen sechs Monate begonnen haben.

§ 5 Einschränkung der Leistungspflicht

Anspruch auf Leistungen besteht nicht, wenn die Berufsunfähigkeit verursacht ist:

a) dadurch, dass die versicherte Person eine Straftat vorsätzlich ausführt oder verursacht

(...)

Als Ablauf der Leistungsdauer war der 31.03.2029 vereinbart. Bei Abschluss des Vertrages war der Kläger als Geschäftsstellenleiter und Vermittler für die C AG in der Rechtsform eines selbständigen Handelsvertreters tätig. Aufgrund Kündigung des Klägers vom 02.08.2008 endete das Versicherungsverhältnis mit Ablauf des 31.03.2009.

Im Oktober 2008 erfolgte bei dem Kläger eine Hausdurchsuchung; er wurde für einen Tag in Haft genommen. Der Kläger suchte am 07.11.2008 seine Hausärztin Dr. S auf und klagte unter anderem über Schlafstörungen und Angstzustände. Am 13.11.2008 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen. Nach einer Verurteilung wegen Computerbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verbüsste er diese bis zum März 2012. Während der Haft suchte der Kläger mehrfach Ärzte wegen somatischer und psychischer Beschwerden auf. Nach der Haftentlassung ging der Kläger keiner beruflichen Tätigkeit nach.

Der Kläger hat behauptet, er leide seit dem traumatischen Geschehen vom Oktober 2008 unter einer Depression mit somatischen Beschwerden, welche ihn hindere, den zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. In diesem habe er die Organisation und Überwachung der Geschäftsstelle, die Betreuung, Kontrolle und Schulung der ihm zugeordneten Handelsvertreter übernommen und sei zugleich als Vermittler aufgetreten. Bereits mit dem für ihn traumatischen Geschehen der Hausdurchsuchung und der eintägigen Inhaftierung sei eine fortdauernde Berufsunfähigkeit im Sinne des § 2 der Versicherungsbedingungen eingetreten. Der Ablauf der Versicherung zum 01.04.2009 sei für die Leistungspflicht der Beklagten ohne Belang, da der Versicherungsfall bereits in ungekündigter Zeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht fortbestehe.

Die Beklagte hat behauptet, jedenfalls bis zum Ende der Versicherungsdauer am 31.03.2009 hätten bei dem Kläger nur geringfügige psychische Beschwerden vorgelegen, die ihn nicht gehindert hätten, wenigstens 50 % des bisherigen Arbeitsumfangs zu bewältigen. Zumindest sei die Prognose für eine Wiederherstellung der Arbeitskraft vor Ablauf der 6-Monats-Frist gut gewesen. Ein Anspruch scheide auch aus, soweit der Kläger infolge eines Berufsverbots oder infolge der Inhaftierung keiner Berufstätigkeit habe nachgehen können. Die Berufsunfähigkeit sei nicht "infolge" Krankheit eingetreten. Die Beklagte hat sich des Weiteren darauf berufen, dass nach den Versicherungsbedingungen ein Leistungsanspruch nicht bestehe, da die Berufsunfähigkeit durch eine vorsätzliche Straftat des Klägers worden sei.

Das LG hat die Klage auf Versicherungsleistungen nach Einholung eines psychologischen sowie neuropsychologischen Gutachtens und eines fachpsychiatrischen Gutachtens abgewiesen. Eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen sei für die Zeit vor der Inhaftie...

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