BGH zur Leistungspflicht von Betriebsversicherungen bei Corona-Betriebsschließungen
Die Betriebsschließungsversicherung ist nicht eintrittspflichtig, wenn sie im Vertrag oder in ihren AGB ihre Haftung auf bestimmte Gefahren begrenzt hat und eine Betriebsschließung wegen CoV-19 nicht in den Katalog der versicherten Gefahren aufgenommen wurde. Dies ist die Quintessenz der aktuellen BGH-Entscheidung. Damit dürften im Ergebnis viele von einer coronabedingten Betriebsschließung betroffene Unternehmer leer ausgehen.
Bisher gab es divergierende Gerichtsurteile
Die Rechtsfrage, ob eine Betriebsschließungsversicherung für coronabedingte Betriebsschließungen und dadurch verursachte Einnahmeausfälle haften muss, wurde bisher von den Gerichten höchst unterschiedlich beantwortet. Eine einheitliche Linie war nicht erkennbar: Die Auslegung der Versicherungsbedingungen und der Gesetze divergierte teilweise sogar bei den unterschiedlichen Spruchkörpern am gleichen Gericht. Nun hat der BGH Klarheit für einen Großteil der existierenden Verträge geschaffen.
Viele Gastronomen dürften leer ausgehen
Nach dem aktuellen BGH-Urteil dürfen insbesondere Gastronomen, deren Restaurants oder Hotels während der Corona-Pandemie von einer Betriebsschließung betroffen waren, künftig "in die Röhre gucken", wenn sie ihre Betriebsschließungsversicherung für den entstandenen Schaden durch Umsatzausfälle in Anspruch nehmen wollen.
- Ein Großteil der abgeschlossenen Versicherungsverträge enthält Klauseln,
- die entweder die versicherten Gefahren enumerativ aufzählen
- oder durch Bezugnahme auf die im IfSG aufgezählten Krankheitserreger und Seuchen den Versicherungsschutz auf die dort genannten Gefahren begrenzen.
Die bisherigen Streitpunkte beim Versicherungsschutz für Corona-Schließungen
Bisher war strittig, ob der Versicherungsschutz auch dann eine Betriebsschließung infolge der Corona-Pandemie einbezieht, wenn
- die Betriebsschließung nicht nur einen konkreten Betrieb betrifft, sondern auf einer Allgemeinverfügung beruht und/oder
- das CoV-2-Virus im Versicherungsvertrag als versicherte Gefahr nicht ausdrücklich erwähnt wird und/oder
- der Versicherungsvertrag unter Bezugnahme auf die im IfSG gelisteten Krankheitserreger abgeschlossen wurde, bevor das CoV-2-Virus im Februar 2020 in die Liste der Krankheitserreger des IfSG aufgenommen wurde.
Diese Fragen hat der BGH nun im Wesentlichen beantwortet.
Versicherungsschutz besteht auch bei Betriebsschließung nach Allgemeinverfügung
Zugunsten der Versicherungsnehmer fällt hierbei nur eine vom BGH gegebene Antwort aus. Abweichend von dem zuvor mit dem Fall befassten Berufungsgericht, stellte der BGH klar, dass der Versicherungsfall nicht zwingend auf einer intrinsischen Infektionsgefahr, also auf einem im Betrieb des Versicherten aufgetretenen Erreger beruhen muss. Auch wenn die Betriebsschließung auf einer im Rahmen einer Pandemie erlassenen Allgemeinverfügung beruht, kann der Versicherungsfall gegeben sein. Diese Klarstellung kann einigen Versicherten möglicherweise zur Versicherungsleistung verhelfen, sofern die im konkreten Vertrag verwendeten Klauseln nicht den Kriterien entsprechen, nach denen der BGH den Versicherungsschutz nun verneint hat.
Vertragsformulierungen sind entscheidend
Der BGH versagt in seinem Urteil den Versicherungsschutz, wenn die Versicherungsbedingungen des Betriebsschließungsvertrags einen Katalog der versicherten Krankheiten enthalten und der Vertrag ergänzend auf die im IfSG aufgelisteten Krankheitserreger Bezug nimmt. Dabei kommt es nach Auffassung des BGH auf die Sichtweise eines durchschnittlichen gewerblichen Versicherungsnehmers an.
Katalogmäßige Gefahrenauflistungen sind abschließend
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich nach Auffassung des BGH den Katalog der versicherten Gefahren anschauen und nach dessen Durchsicht davon ausgehen, dass die Aufzählung abschließend ist. Andernfalls wäre die Aufzählung auch aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sinnlos. Dieser könne nicht ernsthaft annehmen, dass die Versicherung auch im Fall von im Katalog nicht aufgeführte Krankheiten und Krankheitserregern eintrittspflichtig ist.
Gefahrenliste ist Grundlage für die Kalkulation der Versicherungsprämie
Dies gelte umso mehr, wenn, wie im konkreten Fall, der Vertrag bereits im Jahr 2008 abgeschlossen wurde und der dort nicht benannte CoV-19-Erreger erst mehr als ein Jahrzehnt später aufgetreten ist. Auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei klar, dass bei einer Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf solche, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbare Gefahren eine wirtschaftliche Kalkulation der Versicherungsprämien kaum möglich wäre.
Gefahrenkatalog ist ausreichend transparent
Nach der Bewertung des BGH hält die von der Versicherung verwendete Klausel auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB stand. Insbesondere verstoße die Klausel nicht gegen das Transparenzgebot, da die Versicherungsbedingungen die versicherten Krankheitserreger eindeutig und klar aufgelistet hätten. Hierdurch würde dem Versicherungsnehmer auch nicht der unrichtige Eindruck vermittelt, dass jede denkbare Betriebsschließung aufgrund der Verbreitung eines Krankheitserregers versichert sein würde.
Klage auf Versicherungsschutz abgewiesen
Mit diesen Argumenten versagte der BGH dem Kläger im konkreten Fall eines Gastronomen aus Travemünde diesem den begehrten Versicherungsschutz für Umsatzausfälle infolge einer coronabedingten Betriebsschließung.
(BGH, Urteil v. 26.1.2022, IV ZR 144/21)
Abweichende Entscheidungen nicht ausgeschlossen
Insgesamt sind beim BGH ca. 160 Klagen zu Betriebsschließungsversicherungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie anhängig. Die jetzt getroffene Entscheidung dürfte einen maßgeblichen Teil auch dieser Verfahren betreffen, soweit dort die gleichen oder ähnliche Versicherungsbedingungen verwandt wurden. Soweit die verwendeten Vertragsklauseln im Einzelfall abweichen, ist eine andere Entscheidung nicht ausgeschlossen. Das jetzige BGH-Urteil bezieht sich zunächst ausdrücklich auf die in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall verwendeten Vertragsklauseln.
Seit Ende 2020 neue Musterbedingungen für Betriebsversicherungen
Der Verband der deutschen Versicherer GDV hat bereits frühzeitig reagiert und bereits Ende 2020 Musterbedingungen für Betriebsschließungspolicen formuliert, in denen der Versicherungsschutz auch dann ausgeschlossen wird, wenn Betriebe per Allgemeinverfügung geschlossen werden. Mit diesen Bedingungen wurde diese Tür, die der BGH für die Versicherten in seiner Entscheidung offen gelassen hat, auch noch geschlossen. Die Bedingungen sind allerdings nur eine Empfehlung für die Versicherungen und werden von diesen unterschiedlich angewandt.
Auch das OLG Schleswig lehnte Haftung der Betriebsversicherung ab
Mit seiner jetzigen Entscheidung hat der BGH eine vorausgegangene Entscheidung des OLG Schleswig im Wesentlichen bestätigt. In einer für Gastronomen wenig erfreulichen Entscheidung hatte das OLG Schleswig die Haftung der Versicherung für eine coronabedingte Betriebsschließung gleich aus mehreren rechtlichen Gründen abgelehnt.
OLG definiert restriktive Voraussetzungen für Entschädigung aus einer Betriebsschließungsversicherung
Nach der Entscheidung des OLG setzt ein Entschädigungsanspruch aus einer Betriebsschließungsversicherungspolice voraus, dass
- die behördliche Betriebsschließung eine aus dem Betrieb selbst stammende Infektionsgefahr (sogenannte endogene oder intrinsische Gefahr) betrifft,
- aufgrund derer die zuständige Behörde, eine konkret auf den einzelnen Betrieb bezogenen Maßnahme erlässt.
- Die Betriebsschließung aufgrund genereller Maßnahmen zum Gesundheitsschutz infolge einer allgemeinen Pandemielage begründe demgegenüber keinen Versicherungsfall.
- Schließlich umfasse der Versicherungsschutz grundsätzlich nur, namentlich in den Versicherungsbedingungen genannte Krankheitserreger.
Das Cov-2-Virus sei bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch nicht bekannt gewesen, daher im Versicherungsvertrag auch nicht benannt und folglich vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Immerhin im Hinblick auf das Erfordernis einer intrinsischen Gefahr ist der BGH von dem Urteil des OLG abgewichen und hat klargestellt, dass auch die Betriebsschließung infolge einer Allgemeinverfügung vom Versicherungsschutz umfasst sein kann (OLG Schleswig, Urteil v. 10.5.2021, 16 U 25/21).
Ganz anders entschied das OLG Karlsruhe zur Betriebsschließungsversicherung
Andere Gerichte teilten die Rechtsauslegung des OLG Schleswig nicht. Eines dieser in eine andere Richtung gehenden Urteile kommt vom OLG Karlsruhe. Das Urteil des OLG Karlsruhe betrifft allerdings anders formulierte Versicherungsbedingungen als sie dem jetzigen Urteil des BGH zu Grunde lagen. Die Begründung des OLG Karlsruhe ist daher durch das jetzige BGH Urteil nicht in jeder Beziehung überholt.
OLG sah Verletzung des Transparenzgebots
Das OLG Karlsruhe hielt die in den AVB der Versicherung enthaltenen Haftungsausschlüsse für unwirksam. Begründung: Verstoß gegen das Transparenzgebot. Nach Auffassung des OLG waren die im konkreten Fall verwendeten AVB unklar formuliert und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Einerseits nahmen die auf AVB mehrfach auf die meldepflichtigen Krankheiten des IfSG Bezug, schränkten in ihrer Aufzählung der unter den Schutzbereich des Vertrages fallenden Krankheitserreger diese im Vergleich zum IfSG aber deutlich ein. Hierdurch wurde nach Auffassung des OLG beim Versicherungsnehmer eine unrichtige oder zumindest unklare Vorstellung über den Schutzumfang des Versicherungsvertrages hervorrufen.
Verstoß gegen Transparenzgebot führt zur Unwirksamkeit
Die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern, welche hinter dem Umfang des Infektionsschutzgesetzes zurückbleibt, ist nach der Beurteilung des Senats für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hinreichend nachvollziehbar.
Die wiederholte Bezugnahme in den AVB auf die Bestimmungen des IfSG vermittle dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, dass der Versicherungsschutz jede Betriebsschließung aufgrund des IfSG erfasse. Dem Versicherungsnehmer erschließe sich nicht ohne weiteres, dass der tatsächliche Schutz des Versicherungsvertrages dann aber tatsächlich hinter dem IfSG zurückbleiben solle. Die Formulierung verstoße damit gegen das Transparenzgebot und führe zur Unwirksamkeit der Haftungsbeschränkungen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.6.2021, 12 U 4/21).
OLG Karlsruhe differenziert je nach Vertragsgestaltung
Unter dem gleichen Datum traf der gleiche Senat des OLG Karlsruhe eine auf den ersten Blick entgegengesetzte Entscheidung ebenfalls gegenüber einem Hotel- und Gaststättenbetreiber und bestätigte die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz.
Der Unterschied zum Parallelfall bestand darin, dass die AVB an keiner Stelle auf das IfSG verwiesen. Die Haftungsausschlüsse waren nach der Bewertung des OLG hier so eindeutig und klar gefasst, dass diese von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres nachvollzogen werden konnten. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot lag damit nicht vor, so dass von der Wirksamkeit der entsprechenden Klausel auszugehen war (OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.6.2021, 12 U 11/21).
Differenzierende Betrachtungsweise auch bei anderen Gerichten
Mit ähnlicher Argumentation entschied das LG Frankfurt zugunsten der Versicherung in zwei Fällen, in denen es um die coronabedingten Betriebsschließungen einer Gaststätte bzw. eines Kinos ging. In beiden Fällen enthielten die von der Versicherung verwendeten AVB eine konkrete, abschließende Liste der Krankheitserreger und Krankheiten, die unter den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fielen. Das CoV-2-Virus war in diesen Auflistungen nicht enthalten, so dass eine Leistungspflicht der Versicherung nach Auffassung des LG nicht gegeben war (LG Frankfurt, Urteile v. 12.2.2021, 2-08 O 186/20 und v. 19.2.2021, 2-08 O 147/20; ähnlich OLG Koblenz, Urteil v. 28.7.2021, 10 U 259/21; LG Oldenburg, Urteil v. 14.10.2020, 13 O 2068/20).
OLG Stuttgart urteilte ähnlich wie jetzt der BGH
Das OLG Stuttgart hat in unterschiedlichen Fällen die Beschränkungen des Versicherungsschutzes in den AVB-BS von Versicherungsunternehmen als wirksam angesehen. Risikoausschlüsse, die den Versicherungsschutz auf die bei Abschluss der jeweiligen Versicherungsverträge in den Katalogen der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung der in §§ 6 u. 7 IfSG aufgeführten Krankheitserreger begrenzen, sind nach diesen Entscheidungen ohne weiteres wirksam. Anders als das OLG Karlsruhe beurteilt das OLG Stuttgart die §§ 6, 7 IfSG nicht als Generalklauseln, die den SARS-CoV-2-Erreger generell miterfassen.
Risikoausschlüsse sind weder überraschend noch intransparent
Nach Auffassung des OLG sind durchschnittliche Versicherungsnehmer von Betriebsschließungsversicherungen ohne weiteres in der Lage, die in den AVB-BS enthalten Risikoausschlüsse zu erfassen und zu verstehen. AVB-BS, die den Versicherungsschutz auf einen Katalog bestimmter Krankheitserreger begrenzen, seien für Gewerbetreibende weder überraschend noch intransparent. Mit einer solchen Haftungsbegrenzung müsse jeder Geschäftsinhaber, der eine solche Versicherung abschließt, bei Abschluss des Vertrages rechnen. Die verwendeten Klauseln hielten deshalb einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB ohne weiteres Stand (OLG Stuttgart, Urteil v. 18.2.2021, 7 U 351/20; v. 18.2.2021, 7 U 335/20).
Corona-Virus erst seit Februar 2020 im Katalog der meldepflichtigen Krankheiten
In der Praxis nehmen viele Versicherungsverträge auf die in §§ 6, 7 IfSG aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger Bezug,ohne selbst die versicherten Krankheitserreger aufzulisten. Erst im Februar 2020 wurde das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit erfasst und schließlich durch das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite unter § 6 1 Ziffer 1 lit. t als „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ ausdrücklich in den Katalog des IfSG aufgenommen. In Kraft getreten ist die entsprechende Fassung des IfSG erst am 23.5.2020. In diesen Fällen könnte es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages ankommen.
Klare Entscheidung des LG Düsseldorf zugunsten der Betriebsinhaber: 764.138,63 EUR
Eindeutig zugunsten der Versicherungsnehmer und mit einer dem jetzigen BGH-Urteil zum Teil diametral entgegengesetzten Argumentation hat das LG Düsseldorf Position bezogen. Die 10. Kammer für Handelssachen hat einem Düsseldorfer Altstadt-Gastronomen gegen seine Betriebsschließungsversicherung einen Betrag in Höhe von 764.138,63 EUR als Schadensersatz zugesprochen. Drei Bars des Restaurantbesitzers wurden aufgrund einer Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 18.3.2020 aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen. Laut AVB-BS des zugrundeliegenden Versicherungsvertrags war der Versicherungsschutz ausdrücklich auf die im alten, vor Auftreten der Covid-19-Pandemie im einzelnen aufgeführten Krankheitserreger beschränkt.
Einschränkende AVB-BS intransparent und überraschend?
Nach der Wertung des LG Düsseldorf hält diese AVB-BS-Klausel der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB in mehrfacher Hinsicht nicht stand und ist daher unwirksam. Die Klausel benachteilige den Versicherungsnehmer in unangemessener Weise, sie sei für diesen, intransparent, überraschend und unklar. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer gehe nämlich bei vernünftiger Betrachtungsweise davon aus, dass eine pandemiebedingte Schließung seines Betriebs vom Versicherungsschutz einer Betriebsschließungsversicherung erfasst ist. Einschränkungen des Versicherungsschutzes müssten daher im Versicherungsvertrag in besonderer Weise kenntlich gemacht und herausgestellt werden.
Außer-Haus-Verkauf keine zwingende Alternative
Schließlich sah das LG den Versicherungsschutz auch nicht dadurch eingeschränkt, dass nach der Schließungsverordnung der Stadt Düsseldorf der Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken grundsätzlich erlaubt blieb. Um eine solche zwar mögliche, aber wirtschaftlich möglicherweise nicht lohnende Alternative müsse sich ein Betriebsinhaber nicht verweisen lassen. (LG Düsseldorf, Urteil v. 19.2.2021, 4 O 53/20). Die Argumente des LG Düsseldorf dürften durch die jetzige Entscheidung des BGH in weiten Teilen überholt sein.
Dynamische Verweisung bezieht CoV-19-Erreger ein
Eine interessante Argumentation zugunsten der Versicherungsnehmer enthält ein Urteil des LG Magdeburg. Die Kammer des LG sieht in der Verweisung der AVB-BS auf die im IfSG aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger eine dynamische Verweisung mit der Folge, dass auch die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages noch nicht im IfSG aufgeführten Krankheitserreger SARS-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst sind. Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck von Betriebsschließungsversicherungen, denn sonst würde jede Betriebsschließungsversicherung mit den Jahren nicht mehr dem aktuellen Stand der seuchenbedingten Gefahrenlagen entsprechen (LG Magdeburg, Urteil v. 6.10.2020, 31 O 45/10). Ob diese Argumentation nach dem aktuellen BGH-Urteil noch gültig ist, dürfte zumindest zweifelhaft sein.
Keine Anrechnung staatlicher Hilfen auf Versicherungsleistungen
Ist im Einzelfall die Eintrittspflicht der Betriebsschließungsversicherung gegeben, so stellt sich die Frage nach dem Umfang der Entschädigungsleistungen. Nach einer Entscheidung des LG München sind weder Kurzarbeitergeld noch im Rahmen der Pandemie gewährte staatliche Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich bei diesen staatlichen Leistungen rechtlich um keine Schadenersatzzahlungen handle und diese daher auch nicht auf Schadensersatzansprüche der Versicherten angerechnet werden könnten. Dies ist insoweit von besonderem Interesse für Versicherungsnehmer und Versicherer, als selbst die kulanteren Versicherer, die an Corona-Geschädigte Leistungen wegen Betriebsschließungen erbracht haben, bisher bei der Schadensberechnung die vom Betriebsinhaber erhaltenen staatlichen Leistungen in Abzug gebracht haben.
Auch eine Schadensminderungspflicht des klagenden Gastwirtes in Form der Einrichtung eines Außer-Haus-Verkaufs lehnte das LG ab (LG München I, Urteil v. 1.10.2020, 12 O 5895/20).
Staat wohl nicht in der Haftung
Die Frage der Haftung der Betriebsschließungsversicherungen ist für viele Betriebsinhaber von entscheidender Bedeutung, da Entschädigungsansprüche gegenüber anderen Stellen in der Regel ausscheiden. So haben einige von Corona-Betriebsschließungen betroffene Betriebsinhaber den Versuch unternommen, den Staat auf Haftung für Betriebsausfälle in Anspruch zu nehmen. Dies war wenig erfolgreich: So hat das LG Heilbronn einen Entschädigungsanspruch der Inhaberin eines Friseursalons gegen das Land abgelehnt. Ein möglicher Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 4, 12 IfSG setzt nach dieser Entscheidung voraus, dass Maßnahmen gegen einen Betriebsinhaber getroffen werden, der selbst zur Gruppe der Ausscheider, der Ansteckungsverdächtigen oder der Krankheitsverdächtigen gehört (LG Heilbronn, Urteil v. 29.4.2020, I 4 O 82/20).
Keine Staatshaftung wegen Sonderopfer
Ein Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs kommt nach einer Entscheidung des LG Berlin nicht in Betracht, weil von den Betriebsinhabern kein Sonderopfer verlangt würde, denn alle Betriebsinhaber der gleichen Branche seien in gleicher Weise betroffen (LG Berlin, Urteil v. 13.10.2020, 2 O 247/20; ähnlich LG Hannover, Urteil v. 9.7.2020, 8 O 2/20).
Einige Versicherungen unterbreiten „Kulanzangebote“
Einige Versicherungen bieten „kulante Regelungen“ für bestimmte Branchen an. In Bayern haben einige Versicherer eine Vereinbarung getroffen, wonach 10-15 % der vereinbarten Tagessätze an betroffene Gastronomen ausgezahlt werden sollen. Die übrigen Einnahmeausfälle sollen über Staatshilfen abgedeckt werden. Nach Berechnungen der Versicherungswirtschaft können beispielsweise Gastronomen 70 % ihrer Einnahmeausfälle über staatliche Hilfen abdecken. Von den verbleibenden 30 % wollen einige Versicherungen daher die Hälfte, also 15 %, auf dem Kulanzwege, d.h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, übernehmen. Nach der jetzigen Entscheidung des BGH dürfen die Versicherungen sich in Zukunft sicherer fühlen. Kulanzangebote, so sie noch erfolgen, dürften in Zukunft eher weniger großzügig ausfallen.
Fragwürdige Berechnungsmethode
Ob die Berechnungsmethode der Versicherungsbranche, Staatshilfen bei der Berechnung der Ersatzleistungen zu berücksichtigen, schlüssig ist, ist unter Juristen umstritten. Wenn Versicherungsverträge als Summen- und nicht als Schadensversicherungen ausgebildet sind und keine Subsidiaritätsklausel eingefügt ist, stehen den Versicherungskunden nach überwiegender Meinung die vereinbarten ungekürzten Tagessätze für Betriebsausfälle zu, auch wenn sie staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Diese Sichtweise entspricht der bereits zitierten Entscheidung des LG München. Nach einer Meldung der ARD hat ein Großteil der bei der Allianz versicherten Gastronomen in Bayern deren Kulanzangebot angenommen. Für viele in Not geratene Unternehmen geht es im Ergebnis auch darum, möglichst schnell Zahlungen zu erhalten. Zahlungen nach Eintritt der Insolvenz haben nur noch begrenzten Nutzen.
Klagewelle rollt
Besonders Gastronomen haben in großer Zahl den Gerichtsweg gegen ihre Versicherung eingeschlagen. Bei einigen deutschen Landgerichten sind inzwischen Hunderte solcher Verfahren anhängig. Nach der jetzigen BGH-Entscheidung dürfte sich die Hoffnung vieler Kläger auf Schadenersatz zerschlagen. Aber auch nach dieser Entscheidung lohnt es sich, die jeweiligen Versicherungsverträge genau daraufhin abzuklopfen, inwieweit sie von der aktuellen BGH-Entscheidung umfasst werden.
Veranstaltungsausfallversicherungen lehnen Corona-Schutz häufig ebenfalls ab
Veranstaltungsausfallversicherungen sichern Veranstalter gegen finanzielle Schäden aus dem Ausfall von Veranstaltungen wie Konzerten oder Messen ab. Regelmäßig bezieht sich der Versicherungsschutz auf Absagen beispielsweise wegen einer individuellen Erkrankung des Künstlers. Auch hier lohnt es sich, den individuellen Versicherungsvertrag darauf zu prüfen, ob Ausfälle wegen behördlicher Untersagungen bei Infektionsgefahr mitversichert sind.
Unternehmen sollten auch ihre Kreditversicherungen prüfen
Auch Kreditversicherungen können in der Corona-Krise in einigen Fällen einschlägig sein. Eine Kreditversicherung schützt Lieferanten, wenn ein Abnehmer eine Rechnung nicht bezahlt. Infolge der Corona-Pandemie eintretende Forderungsausfälle oder längerfristige Zahlungsverzögerungen können ein Fall der Kreditversicherung und insbesondere auch einer Exportkreditversicherung sein. Die Kreditversicherungen könnte es sogar besonders hart treffen. Die ehemalige Bundesregierung hatte insoweit vorgesorgt und eine Garantie für Entschädigungszahlungen der Kreditversicherung von bis zu 30 Milliarden Euro im Rahmen eines Schutzschirms eingerichtet.
Transportversicherungen ebenfalls einschlägig
Bleiben Waren, die ein Unternehmen im Ausland bestellt hat, blockiert und werden nicht geliefert, so sind hieraus entstehende Verzögerungsschäden häufig durch die Warentransportversicherung gedeckt. Betroffene Unternehmen sollten in solchen Fällen den entsprechenden Versicherungsvertrag darauf prüfen, ob hierunter auch pandemiebedingte Lieferverzögerungen fallen. Die rechtlichen Argumente unterscheiden sich hier nicht wesentlich von denen bei der Betriebsschließungsversicherung.
Wichtig: Obliegenheiten des Versicherungsnehmers beachten
Im Schadensfall müssen Versicherte grundsätzlich schnellstmöglich handeln. Die Betriebsschließung muss in der Regel unverzüglich der Versicherung gemeldet werden. Außerdem sehen die Verträge häufig vor, dass der Versicherte sämtliche ihm zustehenden Entschädigungsansprüche nach dem IfSG geltend machen muss und die Versicherung erst sekundär für die Schäden haftet, die durch diese Entschädigungsansprüche nicht abgedeckt werden. Im Einzelfall kommt es auch in diesem Punkt sehr stark auf die genaue vertragliche Formulierung an.
Haftungsumfang
In der Regel werden im Versicherungsvertrag Tagessätze vereinbart, die bei einer Betriebsschließung zu zahlen sind. Wird der Betrieb teilweise geschlossen (Verkaufsgeschäft geschlossen, Handwerksbetrieb bleibt geöffnet) werden nach den jeweiligen Versicherungsbedingungen in der Regel anteilige Tagessätze vereinbart. Die Tagessätze umfassen in der Regel die weiterlaufenden festen Kosten sowie den entgangenen Gewinn und sind häufig durch eine fixe Obergrenze gedeckelt.
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