Leitsatz (amtlich)

Die Wendung „nach medizinischem Befund” in § 15b MBKT 94 ist unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB. Die Klausel erlaubt daher keine rückwirkende Feststellung der Berufsunfähigkeit zu Lasten des Versicherungsnehmers.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 28.05.2003; Aktenzeichen 5 O 251/02)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 28.5.2003 – 5 O 251/02 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte wurde vom LG zur Zahlung von Krankentagegeld i.H.v. insgesamt 16.208,21 Euro aus dem mit der Klägerin bestehenden Versicherungsvertrag verurteilt. Es handelt sich um Leistungen aus den Tarifen der Beklagten KT 4 für den Zeitraum vom 13.2. bis 31.7.2002 sowie KT 7 für den Zeitraum vom 6.3. bis 31.7.2002. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankentagegeldversicherung der Beklagten zugrunde, bestehend aus den MB/KT 94 entsprechenden (Teil I) sowie diese ergänzenden oder abändernden Tarifbedingungen (Teil II).

Die Klägerin leidet seit geraumer Zeit unter einer chronischen paranoiden Schizophrenie. Aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit als Ingenieurin für Maschinenbau erzielte sie im Jahre 1999 Einkünfte i.H.v. 44.516 DM und im Jahre 2000 Einkünfte i.H.v. 40.129 DM. Seit Anfang des Jahres 2001 spitzte sich ihre gesundheitliche Situation immer mehr zu. Aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung war sie zumindest seit September 2001 nicht mehr geschäftsfähig. Nach Einleitung eines Betreuungsverfahrens beim AG – VormG – K (Az. XVII 1121/2001), in dessen Verlauf die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Betreuerin der Klägerin bestellt und die Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Einrichtung vormundschaftsgerichtlich genehmigt worden war, befand sich die Klägerin vom 23.1.2002 bis 13.9.2002 in stationärer Behandlung im Städtischen Klinikum K., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Seit 1.8.2002 erhält sie Leistungen aus zwei Berufsunfähigkeitsversicherungen bei anderen Versicherern.

Nach Auffassung des LG schuldet die Beklagte für den genannten Zeitraum die tarifgemäße Leistung (100 DM = 51,13 Euro täglich ab dem 22. Tag der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit aus dem Tarif KT 4 sowie weitere 100 DM = 51,13 Euro ab dem 43. Tag aus dem Tarif KT 7). Die Anspruchsvoraussetzungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AVB lägen mit Beginn der Heilbehandlung am 23.1.2002 im Städtischen Klinikum K vor. Die durch Bescheinigung des Klinikums vom 31.1.2002 nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit sowie die Behandlungsbedürftigkeit hätten (zumindest) nicht vor Entlassung der Klägerin aus dem Klinikum am 13.9.2002 geendet. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe das Versicherungsverhältnis nicht schon früher wegen Wegfalls der Versicherungsfähigkeit gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1a oder Eintritts von Berufsunfähigkeit gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1b geendet. Die für die Klägerin streitende Vermutung, dass sie ihre Erwerbstätigkeit im gewohnten Umfang fortgeführt hätte, wenn sie nicht erkrankt wäre, bzw. dass sie sie im Falle ihrer Gesundung wieder aufnehme, habe die Beklagte nicht widerlegt. Ebenso fehle bisher ein Nachweis der Berufsunfähigkeit. Eine rückwirkende Feststellung der Berufsunfähigkeit gem. den Beweisanträgen der Beklagten im Prozess sei ausgeschlossen. Auch die von der Beklagten mit der Klagerwiderung erklärte Herabsetzung des Krankentagegeldes nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVB gelte nicht, da eine solche Erklärung nur für die Zukunft wirke. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Bezug genommen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte, das Urteil des LG abzuändern und die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten scheitert der Leistungsanspruch entgegen dem LG sowohl an den Gründen für die Beendigung des Versicherungsverhältnisses nach § 15 Abs. 1 Nr. 1a und § 15 Abs. 1 Nr. 1b AVB als auch wegen wirksamer Herabsetzung des Krankentagegeldes gem. § 4 Nr. 1 Abs. 4 AVB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zutreffend stellt das LG das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ab 23.1.2002 fest. Ab diesem Zeitpunkt begann die Heilbehandlung im Städtischen Klinikum K. und wurde der Klägerin von der Klinik auch Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

2. Die Beklagte ist nicht gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1a AVB wegen Wegfalls der Versicherungsfähigkeit der Klägerin vor dem 1.8.2002 leistungsfrei. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass die Beendigung der Erwerbstätigkeit der Klägerin im Laufe des Jahres 2001 auf ihrer Erkrankung beruht. In den Jahren 1999 und 2000 erzielte sie ausweislich der Steuerbescheinigungen noch Einkü...

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