Leitsatz (amtlich)

1. Nach Ablauf der Befristung einer gewaltschutzrechtlichen Anordnung ist eine Erledigung der Hauptsache eingetreten und eine Beschwerde nicht mehr statthaft.

2. Bei Abstandsgeboten und Kontaktverboten gemäß § 1 GewSchG handelt es sich in der Regel nicht um schwerwiegende Grundrechtseingriffe im Sinne von § 62 Abs. 2 FamFG.

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Aktenzeichen 8 F 2472/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 22.12.2022 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim vom 19.12.2022, Aktenzeichen 8 F 2472/22, wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz.

Bei den Beteiligten handelt es sich um ein mittlerweile geschiedenes Ehepaar. Sie haben zwei gemeinsame minderjährige Söhne und zwar M. F. H., geboren am ..., und L.-A. H., geboren am ... Die Kinder leben im Haushalt der Antragstellerin. Der Antragsgegner hat Umgang.

Mit Beschluss vom 19.12.2022, erlassen am 22.12.2022, hat das Amtsgericht aufgrund mündlicher Verhandlung vom 06.12.2022 im Wege der einstweiligen Anordnung angeordnet, dass der Antragsgegner es zu unterlassen hat, sich in einem Umkreis von 100 Metern der Wohnung der Antragstellerin ohne vorherige Zustimmung aufzuhalten, mit der Antragstellerin Kontakt aufzunehmen, ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen sowie die Antragstellerin zu bedrohen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln. Die Unterlassungsanordnungen wurden bis zum 23.03.2023 befristet. Darüber hinaus hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Antragsgegner habe die Antragstellerin am 17.09.2022 im Rahmen einer Auseinandersetzung an ihrer Wohnungstür geohrfeigt. Die Wange der Antragstellerin habe sich daraufhin gerötet und einige Tage geschmerzt.

Der am 22.12.2022 erlassene Beschluss vom 19.12.2022 wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 23.12.2022 zugestellt. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 23.12.2022, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt. Auf Anträge des Antragsgegners wurde die Frist zur Begründung der Beschwerde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 18.07.2023.

Gegen den Antragsgegner wurde durch das Amtsgericht Mannheim, Az. 24 Cs 310 Js 29766/22, mit Strafbefehl vom 17.02.2023 eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu 50 EUR, mithin insgesamt 4.500 EUR verhängt. Gegenstand war unter anderem der verfahrensgegenständliche Sachverhalt, auf den eine Einzelstrafe wegen Körperverletzung in Höhe von 40 Tagessätzen entfiel. Der Antragsgegner legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein. Mit Beschluss vom 04.07.2023 hat das Amtsgericht in der Hauptverhandlung das Strafverfahren mit Zustimmung des Antragsgegners und der Staatsanwaltschaft vorläufig gemäß § 153a StPO eingestellt. Dem Antragsgegner wurde zur Auflage gemacht, einen Betrag in Höhe von 4.500 EUR an das Frauenhaus M. zu zahlen.

Mit Verfügung vom 18.04.2023 wurde der Antragsgegner vorsorglich darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Befristung der erstinstanzlich getroffenen Anordnungen am 23.03.2023 ein Rechtsschutzbedürfnis für einen etwaigen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Mannheim vom 19.12.2022 und Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin nicht gegeben sein dürfte.

Der Antragsgegner trägt vor, der angefochtene Beschluss sei zu Unrecht ergangen. Weder habe er die Antragstellerin geohrfeigt noch sonst in ihrem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigt. Vielmehr sei unstreitig seine Hand von der Antragstellerin zwischen Wohnungstür und Türrahmen eingeklemmt worden. Aufgrund der hierdurch erlittenen Quetschung seiner linken Hand wäre es ihm gar nicht möglich gewesen, die Antragstellerin zu ohrfeigen. Infolge der Einstellung des Strafverfahrens sei der Antragsgegner zudem von dem Vorwurf der Körperverletzung befreit.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 19.12.2022 (Az 8 F 2472/22) aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin vom 23.09.2022 abzuweisen.

Hilfsweise beantragt er:

Es wird festgestellt, dass der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragstellung kein strafbewehrter Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner zugestanden hat.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.

2. Der Hilfsantrag des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.

3. Der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Mannheim vom 19.12.2022, Az.: 8 F 2472/22, bleibt aufrechterhalten.

Sie ist der Ansicht, dass aufgrund des Ablaufs der Befristung ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde nicht mehr gegeben sei. Auch der hilfsweise gestellte Antrag sei unzulässig, denn es bestehe hier bereits kein Feststellungsinteresse. Im...

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