Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Fällen unzumutbarer Verzögerung der Entscheidung durch das angegangene Gericht ist die Untätigkeitsbeschwerde gem. § 567 ZPO gegeben, sofern der Rechtszug gegen die ergangene Entscheidung, deren Erlass unzumutbar hinausgezögert wird, eröffnet wäre.

2. In Streitigkeiten um das Sorge- und Umgangsrecht kann eine überlange Verfahrensdauer sehr viel eher die Schlussfolgerung auf eine unzumutbare Verzögerung der Entscheidung rechtfertigen, da sich dieser Bereich der familienrechtlichen Auseinandersetzungen naturgemäß am aktuellen, stetig im Fluss befindlichen Sachverhalt orientiert, während sonst gerichtliche Entscheidungen zumeist an bereits abgeschlossene Sachverhalte anknüpfen.

3. Die Eröffnung der Untätigkeitsbeschwerde darf nicht zu einer kleinlichen Aufsicht des Beschwerdegerichts über die Verfahrensgestaltung des zuständigen Richters führen. Es obliegt nämlich grundsätzlich der Entscheidung des zuständigen Richters, welche konkreten Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt er tatsächlich ergreift.

 

Normenkette

ZPO § 567

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe-Durlach (Aktenzeichen 2 F 377/02)

 

Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers gegen Direktor des AG Karlsruhe-Durlach K. wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden, durch einen Antrag des Antragstellers vom 25.7.2001 eingeleiteten, inzwischen (Verfügung des AG vom 15.11.2002) vom Scheidungsverfahren abgetrennten Verfahren wegen Aufenthaltsbestimmungs- bzw. Sorgerechts für die am 15.4.1997 geborene Tochter L. erhebt der Antragsteller mit einem am 23.5.2003 beim OLG eingegangenem Schreiben den außerordentlichen Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde.

Er stellt den Antrag, ggü. dem zuständigen AG – FamG – Karlsruhe-Durlach „wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung anzuordnen … bis zum 5.6.2003 eine rechtsmittelfähige Sachentscheidung zu treffen.”

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Verfahrensgestaltung des erstinstanzlichen Richter verstoße gegen seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 Grundgesetz, insb. gegen den Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung und effektiver Rechtschutzgewährung. Der erstinstanzliche Richter betreibe das Hauptsacheverfahren in einer Weise, die seine vorläufige Entscheidung vom 20.8.2001 (Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für L. auf die Mutter) faktisch zu einer endgültigen werden lasse. Dies geschehe in der Form, dass der Richter in Kenntnis des Fakten schaffenden Zeitfaktors das Hauptsachverfahren immer nur auf massiven Druck fördere. Hierdurch sei immer mehr der Eindruck entstanden, dass der Familienrichter auf diesem Weg seine im vorläufigen Verfahren getroffene Entscheidung bestätigen und die „im Hauptsacheverfahren seit langem innerlich getroffene Entscheidung durch „den Eintritt faktischer Zwangspunkte im Falle einer förmlichen Hauptsachenentscheidung für das Rechtsmittelgericht ungreifbar werden lassen solle.”

Der bisherige Verfahrensverlauf enthält – zusammengefasst – folgende Chronologie:

Nachdem am 26.7.2001 sowohl der Antrag des Beschwerdeführers, ihm im Hauptverfahren das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter L zu übertragen wie der, eine entspr. einstweilige Anordnung zu erlassen, bei dem FamG eingegangen war, hörte dies am 14.8.2001 die Antragsgegnerin (und L.) und am 15.8.2001 den Antragsteller (und L.) an. Mit Beschluss vom 20.8.2001 wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung bis auf weiteres der Mutter (Antragsgegnerin) übertragen.

Nachdem der Antragsteller gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt hatte, fand am 15.11.2001 vor dem Senat eine mündliche Verhandlung statt. In dieser vereinbarten die Parteien, dass L. bis zur Entscheidung in der Hauptsache ihren Aufenthalt bei der Mutter haben solle und regelten weiter einvernehmlich das Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind.

Mit Verfügung vom 30.11.2001 bestellte das FamG für L eine Verfahrenspflegerin.

Mit weiterer Verfügung vom 24.1.2002 bestimmte das FamG (in der Hauptsache) Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Anhörung der Eltern auf den 28.2.2002. Dieser wurde wegen Verhinderung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auf den 7.3.2002 und erneut (wegen Verhinderung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin) auf den 14.3.2002 verlegt. In dieser Verhandlung wurden die Eltern und der Sachbearbeiter des zuständigen Jugendamts angehört und die Erzieherin des von L. besuchten Kindergartens als Zeugin vernommen.

Zwischenzeitlich – mit am 7.3.2002 beim FamG eingegangenem Antragbegehrte der Antragsteller – in Abänderung der einstweiligen Anordnung des FamG vom 20.8.2001 – ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L zu übertragen. Danach – am 9.3.2002 stellt die Verfahrenspflegerin beim FamG den Antrag – eine vorläufige Regelung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L zu treffen. Beide Anträge lehnte das FamG mit seine...

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