Leitsatz (amtlich)

1. Es ist nicht Aufgabe der Annahmestelle eines Berufungsgerichts, eine eingehende Berufungsschrift daraufhin zu überprüfen, ob sie eine ordnungsgemäße (einfache) Signatur enthält.

2. Ein Rechtsanwalt hat selbst zu überprüfen, ob ein Schriftsatz im Sinne des § 130a Abs. 1 an seinem Ende die für eine einfache Signatur erforderlichen Angaben enthält. Er darf diese Aufgabe nicht an seine Angestellten übertragen. Für eine ordnungsgemäße einfache Signatur genügt die Angabe "Rechtsanwalt" nicht; vielmehr muss sie auch den Namen des Rechtsanwalts enthalten.

 

Normenkette

ZPO §§ 130a, 233-235

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 5 O 265/20)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers vom 10.02.2022 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 23.12.2021 - 5 O 265/20 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 104.823,72 EUR festgesetzt

 

Gründe

I. Die Parteien machen wechselseitige Ansprüche aus einem Kaufvertrag über diverse Kraftfahrzeuge geltend, von dem der Beklagte den Rücktritt erklärt hat. Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung verschiedener geleisteter Anzahlungen in Höhe von insgesamt 19.700 EUR sowie Schadensersatz in Höhe von 77.604 EUR wegen hypothetischer Deckungsgeschäfte. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen und ihn auf die Widerklage der Beklagten hin zur Zahlung von 7.519,72 EUR Schadensersatz wegen eines berechtigten Rücktritts der Beklagten vom Kaufvertrag verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, für die er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S.v. § 233 S. 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsfrist begehrt.

Das Urteil des Landgerichts Essen vom 23.12.2021 (vorgeheftet d.A.-LG und Bl. 4 eA-OLG) ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.12.2021 (vorgeheftet d.A.-LG) am selben Tag zugegangen. Die Berufungsschrift ist dem Oberlandesgericht Hamm aus einem besonderen Anwaltspostfach am 27.01.2022 übermittelt worden (Bl. 1 eA-OLG). Das Dokument ist nicht qualifiziert signiert (Bl. 1 eA-OLG). Es schließt mit der Bezeichnung "Rechtsanwalt"; ein konkreter Name wird nicht genannt (Bl. 3 eA-OLG).

Der Berufungsschriftsatz ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein (Bl. 22 eA-OLG) und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt (Bl. 22 eA-OLG).

Mit Verfügung vom 04.02.2022 wies die zuständige Berichterstatterin den Kläger darauf hin, dass die Berufungsschrift nicht den Anforderungen i.S.v. §§ 519 Abs. 4, 130, 130a ZPO entsprechen dürfte. Denn es habe mindestens einer einfachen Signatur bedurft, von der vorliegend mangels abschließender Namenswiedergabe nicht auszugehen sei (Bl. 25 eA-OLG).

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ihm im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die Versäumung der Frist aufgrund fehlender einfacher Signatur sei unverschuldet.

Die seit 5 Jahren beschäftigte, zuverlässige und für den Umgang mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) gesondert geschulte Angestellte, Frau A, sei von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers damit beauftragt worden, einen zur Berufungseinlegung gefertigten Schriftsatz noch am 27.01.2022 zur Versendung an das erkennende Gericht über das beA des Unterzeichners bis zur Versendungsreife vorzubereiten.

Hierbei sei erstmalig und bislang einmalig sowie entgegen des Inhalts der gesonderten Schulung und der erteilten Weisung des Unterzeichners übersehen worden, dass der Schriftsatz an Stelle mit dem Nachnamen des Unterzeichners lediglich mit dem Wort "Rechtsanwalt" geendet habe.

Entgegen der Handhabung bei analoger Unterzeichnung eines Schriftsatzes müssten die digital erstellten und gespeicherten Schriftsätze vor Versendung nicht mehr zur analogen Unterzeichnung vorgelegt werden. Die digitale Unterzeichnung erfolge mittels einfacher Signatur, d.h. mittels maschinenschriftlicher Nennung des Nachnamens des den Schriftsatz verantwortenden Rechtsanwalts. Dies sei auch bislang entsprechend gehandhabt worden.

Die Übersendung sei vom beA des Unterzeichners erfolgt und von diesem selber angestoßen worden. Damit sei bereits sichergestellt, dass der versendete Schriftsatz mit Wissen und Wollen des den Schriftsatz verantwortenden Rechtsanwalts bei Gericht eingereicht worden sei. Es sei ebenso klar- und sichergestellt, dass die Erklärung der Berufungseinlegung von diesem stamme, erklärt habe werden sollen und erklärt worden sei.

Zudem sei eine Befassung des Gerichts mit der Berufung und der Berufungsschrift bereits am 28.01.2022 gegeben. Der Eingang der Berufungsschrift sei von Seiten des Gerichts durch Frau B gegenüber Frau C auf telefonische Nac...

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