Verfahrensgang

AG Köln (Aktenzeichen 203 C 87/91)

LG Köln (Aktenzeichen 1 S 316/91)

 

Tenor

1. Dem Bundesgerichtshof wird gemäß § 541 Abs. 1 S. 3 ZPO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis allein deshalb fristlos wegen vertragswidrigen Gebrauchs gemäß § 553 BGB zu kündigen, weil die Wohnung durch Zuzug von Familienmitgliedern in erheblichem Umfang überbelegt ist, obwohl sonst keine weiteren, den Vermieter beeinträchtigenden Umstände vorliegen?

2. Im übrigen – wegen der weitergehenden Vorlagefrage – ergeht kein Rechtsentscheid.

 

Tatbestand

I.

Mit mündlichem Vertrag mieteten die beklagten Eheleuten im Jahre 1976 oder 1977 von einem Rechtsvorgänger der Klägerin eine Dachgeschoßwohnung in …. Die Beklagten haben drei Kinder, die derzeit 13, 11 und 8 Jahre alt sind. Diese wurden in … geboren, dann aber in die Türkei, das Heimatland der Beklagten, verbracht, wo sie bei den Großeltern aufwuchsen. Das älteste Kind, ein Sohn, kehrte 1985 zu den Beklagten zurück und lebt seitdem mit ihnen in der Wohnung. Die beiden anderen Kinder – ein Sohn und eine Tochter – holten die Beklagten im August 1990 ebenfalls zu sich, weil die Großeltern die Erziehungsarbeit aus zwischen den Parteien streitigen Gründen nicht mehr leisten konnten oder wollten.

Die Wohnung besteht aus einem Schlafzimmer, einer Küche, einem Bad und einer Diele. Bedingt durch die Dachgeschoßlage haben einige Wände Schrägen. Die Wohnungsgröße ist zwischen den Parteien streitig. Unter Berufung auf die in einer Zeichnung des bauplanenden Architekten angegebenen Maße behauptet die Klägerin eine Wohnfläche von 29,79 m². Die Beklagten, die auch die Auffassung vertreten, die Dachschrägen seien insoweit für die Berechnung nicht relevant, gehen von einer Wohnungsgröße von 42 m² aus.

Unter dem 16.08.1990 mahnte die unmittelbare Rechtsvorgängerin der Klägerin die Beklagten wegen des Gebrauchs der Mietwohnung durch Bewohnen mit fünf Personen ab. Für das Rückverschaffen der Kinder in die Türkei oder die Anmietung einer größeren Wohnung setzte sie eine Frist auf den 31.12.1990. Gestützt auf eine nach ihrer Ansicht fortbestehende Überbelegung der Wohnung kündigte sie das Mietverhältnis mit anwaltlichem Schreiben vom 14.01.1991 fristlos. Das Amtsgericht hat die Räumungsklage nach Einnahme richterlichen Augenscheins abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß eine Überbelegung der Wohnung in solchem Maße, daß dies „schlechterdings” – im Sinne der Ausführungen des Rechtsentscheids des OLG Karlsruhe vom 16.03.1987 (3 REMiet 1/87, NJW 1987, S. 1952) – die fristlose Kündigung rechtfertige, nicht vorliege. Sonstige Umstände, die im Zusammenwirken mit der (einfachen) Überbelegung die fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellbar. Die Wohnung, die einen ordentlichen und gepflegten Eindruck mache und im übrigen räumlich optimal genutzt sei, lasse besondere Abnutzungserscheinungen nicht erkennen. Störungen der übrigen Hausmitbewohner, die die fristlose Kündigung zu rechtfertigen geeignet sein könnten, habe die Klägerin schon nicht vorgetragen.

Das Landgericht, das seiner Entscheidung eine Wohnungsgröße von „ca. 30 m²” zugrundelegen will, geht davon aus, daß eine „totale” Überbelegung vorliegt. Gleichwohl beabsichtigt es, die Berufung zurückzuweisen. Das Landgericht vertritt die Auffassung, allein eine „erhebliche” Überbelegung vermöge ohne Hinzutreten weiterer, die Rechte des Vermieters belastender Umstände die fristlose Kündigung gemäß § 553 BGB nicht zu rechtfertigen; insoweit will es von der Entscheidung des OLG Karlsruhe (s.o.) abweichen. Ferner sieht das Landgericht eine Divergenz zwischen den Entscheidungen des OLG Hamm (Rechtsentscheid vom 06.12.1982 – 4 REMiet 13/81 – NJW 1983, S. 48) und der Entscheidung des BGH (Beschluß vom 20.01.1988 – VIII ARZ 4/87 – NJW 1988, S. 904) zu den Voraussetzungen einer fristgemäßen Kündigung gemäß § 564 b BGB. Deshalb hat das Landgericht dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

Ist der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis allein deshalb fristlos wegen vertragswidrigen Gebrauchs gemäß § 553 BGB oder fristgemäß wegen nicht unerheblicher Vertragsverletzungen gemäß § 564 b Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 BGB zu kündigen, weil die Wohnung durch Zuzug von Familienmitgliedern in erheblichem Umfang überbelegt ist, obwohl sonst keine weiteren, den Vermieter beeinträchtigenden Umstände vorliegen?

 

Entscheidungsgründe

II.

1.

Das OLG Hamm ist für die Entscheidung über die Vorlage zuständig (§ 541 Abs. 2 ZPO, § 1 der Verordnung zur Zusammenfassung der Verfahren über Rechtsentscheide in Mietsachen vom 23. April 1991 (GVBl NW S. 202)).

2.

Die Vorlage ist statthaft (§ 541 Abs. 1 S. 1 ZPO), aber nur teilweise zulässig.

a)

Soweit das Landgericht in seiner Vorlagefrage auch die Berechtigung des Vermieters zur fristgemäßen Kündigung wegen nicht unerheblicher Vertragsverletzung gemäß § 564 b Abs. 2 S. 1 Ziffer 1 BGB bei erheblicher Überbelegung der Mietwohnun...

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