Verfahrensgang

LG Krefeld (Vorlegungsbeschluss vom 19.11.1981)

 

Tenor

Der Vermieter kann gemäß § 564 b Abs. 1 BGB berechtigt sein, das Mietverhältnis über eine 56,94 qm große Wohnung zu kündigen, wenn die Familie der Mieter bei Beginn des Mietverhältnisses aus zwei. Erwachsenen und drei Kindern bestand und die Mieter inzwischen drei weitere Kinder bekommen haben. Im einzelnen richtet sich das Recht des Vermieters zur Kündigung jedoch nach den jeweils umfassend zu würdigenden Umständen des Einzelfalles.

 

Tatbestand

I. Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft, klagt gegen die Beklagten auf Räumung einer 56,94 qm großen, aus zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad, einer Loggia, einem Abstellraum und einem Kellerraum bestehenden Wohnung, welche die Beklagten aufgrund eines Mietvertrages vom 18.07.1974 nutzen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages hatten die Beklagten drei, inzwischen haben sie sechs Kinder; die Wohnung wird jetzt also von 8 Personen bewohnt. Die Klägerin hat die Wohnung wegen Überbelegung gekündigt. Die Räumungsklage der Klägerin hat das Amtsgericht abgewiesen. Nach Einlegung der Berufung verfolgt sie ihr Klagebegehren vor dem Landgericht weiter.

 

Entscheidungsgründe

II. Das Landgericht hat dem Senat folgende Rechtsfrage zum Rechtsentscheid vorgelegt.

Kann der Vermieter das Mietverhältnis über eine 56,94 qm große Wohnung kündigen, wenn die Familie des Mieters bei Beginn des Mietverhältnisses aus zwei Erwachsenen und drei Kindern bestand und die Mieter inzwischen drei weitere Kinder bekommen haben, so daß die Familie insgesamt aus 8 Personen besteht?

III. Die Vorlage dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist gemäß Art. III Abs. 1 des 3. Mietrechtsänderungesetzes zulässig. Sie ist wie aus der Beschlußformel ersichtlich zu entscheiden.

1. § 564 b Abs. 1 BGB bestimmt, daß der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum, nur kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Diese Vorschrift kann den Vermieter unter den in der Vorlagefrage gekennzeichneten Umständen berechtigen, das Mietverhältnis zu kündigen.

1.1. § 564 b BGB regelt den hier behandelten Fall zwar nicht ausdrücklich. Der Katalog der zur Kündigung berechtigenden Interessen in Abs. 2 dieser Vorschrift enthält jedoch keine abschließende Aufzählung; der Gesetzgeber hat dies dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er den in § 564 b Abs. 2 BGB konkret gekennzeichneten (Beispiel-)Fällen das Wort „insbesondere” hinzugesetzt hat. Indem das berechtigte Interesse zur Kündigung indes in dieser Form umschrieben worden ist, wird daraus der Wille des Gesetzgebers deutlich, daß nur solche anderen Gründe zur Kündigung berechtigen, welche ein Gewicht haben, das den ausdrücklich genannten Beispielsfällen vergleichbar ist.

1.2. Der vom Landgericht im Vorlagebeschluß bezeichnete Fall kann in diesem Sinne ein vergleichbares Gewicht haben, nämlich dann, wenn infolge des Anwachsens der Zahl der aufgenommenen Kinder die Wohnung überbelegt ist. In diesen Fällen kann zwar nach Auffassung des Senats häufig nicht davon die Rede sein, der Mieter verletze durch die Aufnahme seiner Kinder in die Wohnung seine vertraglichen Verpflichtungen (vgl. aber z.B. Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., IV Nr. 255 für den Fall „naher Angehöriger”); denn die Aufnahme auch neugeborener Kinder in die Wohnung ist das natürliche und im Mietvertrag regelmäßig auch stillschweigend vorausgesetzte Recht des Mieters. Die Wertung der Interessen der Mietparteien kann jedoch ein deutliches Übergewicht des Interesses des Vermieters an einer Kündigung ergeben, falls es zu einer Überbelegung der Wohnung kommt (vgl. dazu auch Sternel a.a.O., ferner u.a. Staudinger-Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., § 564 b, Rn. 43); dieses im Falle einer Überbelegung bestehende Interesse an einer. Kündigung ist dem Interesse, welches sich in den Beispielsfällen des § 564 b Abs. 2 ausdrückt (Verletzung vertraglicher Verpflichtungen durch, den Mieter, Eigenbedarf des Vermieters, Hinderung des Vermieters an angemessener wirtschaftlicher Nutzung) in seinem Gewicht vergleichbar. Mit dieser Wertung sieht sich der Senat im Einklang mit der vom Gesetzgeber in einem vergleichbaren Fall getroffenen Interessenabwägung, nämlich der Interessenabwägung in § 549 Abs. 2 BGB, wo u.a. bestimmt ist, der Mieter könne in dem in § 549 Abs. 2 bezeichneten Fall die Erlaubnis zur Überlassung der Wohnung an einen. Dritten Verweigern, wenn dadurch der Wohnraum übermäßig belegt würde.

2. Jedoch entzieht sich die Beantwortung der vom Landgericht vorgelegten Rechtsfrage einer generalisierenden, ein für allemal gültigen Beantwortung. Geht es nämlich darum festzustellen, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Rechtsverhältnisses besteht oder nicht (§ 564 b Abs. 1 BGB) (darauf zielt die Vorlagefrage letztendlich), sind die beiderseitigen Interessen unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles gegeneinander abzuw...

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