Normenkette

StVG §§ 7, 17-18; StVO § 9 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Aktenzeichen 2 O 473/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.6.2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Gießen abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.566,75 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.6.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagten 75 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat in geringem Umfang Erfolg. Die Beklagten haften für den Unfallschaden der Klägerin nicht in vollem Umfang, sondern gem. den §§ 7, 18, 17 StVG, 3 PflVersG dem Grunde nach zu 75 %.

Der Unfall beruht auf dem Verschulden des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) hat die Verpflichtung aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO, nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, nicht oder jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sorgfalt wahrgenommen. Die Pflichtverletzung ergibt sich aus der eigenen Einlassung des Beklagten zu 1) bei seiner Anhörung im Termin am 3.6.2002. Danach habe er unmittelbar vor dem Abbiegen zwar in den Spiegel geschaut, jedoch nichts gesehen. Der Umstand, dass er das überholende Fahrzeug der Klägerin nicht wahrnahm, beruht nach seiner Annahme darauf, dass es sich im „toten Winkel” seines Spiegels befand. Hätte der Beklagte zu 1) mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt und entweder frühzeitiger auf den nachfolgenden Verkehr geachtet oder unmittelbar vor dem Abbiegen nicht nur in den Außenspiegel geschaut, sondern sich gleichzeitig auch umgedreht, hätte er das überholende Fahrzeug der Klägerin bemerkt. Das Verschulden des Beklagten zu 1) hat erhebliches Gewicht. Bereits beim Einbiegen in die Kreisstrasse hatte er das sich nähernde Fahrzeug der Klägerin bemerkt. Er musste damit rechnen, dass sich dieses Fahrzeug mit erheblicher Geschwindigkeit von hinten näherte, als er seine Geschwindigkeit vor Erreichen des Feldweges, in welchen er nach links abbiegen wollte, verlangsamte. Der Beobachtung des nachfolgenden Verkehrs musste er deshalb besondere Sorgfalt widmen. Wenn der Beklagte zu 1) das überholende Fahrzeug der Klägerin wahrgenommen hätte, hätte er den Unfall dadurch leicht vermeiden können, dass er sein eigenes, bereits sehr langsam fahrendes Fahrzeug anhielt und das Fahrzeug der Klägerin vorbeifahren ließ.

Ein die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin erhöhendes Mitverschulden des Zeugen U. ist der Klägerin nicht anzurechnen. Im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 StVG dürfen nur bewiesene Tatsachen berücksichtigt werden (BGH v. 10.1.1995 – VI ZR 247/94, MDR 1995, 359 = NJW 1995, 1029 m.w.N.). Ein schuldhafter Fahrfehler des Zeugen U. kann nicht festgestellt werden.

Allerdings ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) vor dem Abbiegen nach links die Abbiegeabsicht durch Blinkzeichen ankündigte. Hierfür spricht die glaubhafte Aussage des Zeugen F. und ebenso die glaubhafte Äußerung des Beklagten zu 2) bei seiner persönlichen Anhörung. Daraus folgt indes nicht schon das Verschulden des Zeugen U. Ein Pflichtenverstoß beim Überholen könnte dem Zeugen L. nur dann vorgeworfen werden, wenn das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bereits in dem Zeitpunkt nach links blinkte, in welchem der Zeuge U. den Überholvorgang begann und auf die Gegenfahrspur ausscherte. Das kann aber nicht festgestellt werden. Weder der Zeuge F. noch der Beklagte zu 1) konnten angeben, wo sich das Fahrzeug der Klägerin befand, als der Blinker des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) betätigt wurde. Wegen der erheblichen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Fahrzeugen liegt nicht fern, dass der Zeuge U. das Fahrzeug der Klägerin bereits in geräumigem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug des Beklagten zu 1) auf die Gegenfahrbahn lenkte und dass in diesem Zeitpunkt noch kein Blinkzeichen am Fahrzeug des Beklagten zu 1) zu erkennen war. Danach ist ein Verschulden des Zeugen U. nicht bewiesen.

Im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 StVG muss sich die Klägerin jedoch die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen. Im Hinblick auf die Verkehrssituation bei dem Überholvorgang erscheint es angemessen, die Betriebsgefahr zu Lasten der Klägerin mit 25 % zu bewerten.

Der der Klägerin aus dem Unfall entstandene Schaden beträgt insgesamt 10.101,24 DM. Die dahin gehenden Feststellungen des LG greifen die Parteien nicht an. Entsprechend ihrer Haftungsquote haben die Beklagten der Klägerin 75 % des Schadens, also 7.575,93 DM, zu erstatten. Von diesem Betrag ist die geleistete Zahlung von 2.555,81 DM abzusetzen. Nach dem Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 2) vom 31.8.2000 wurde die Zahlung ausdrücklich auf die Hauptforderung geleistet. Wegen dieser Tilgungsbestimmung scheidet eine Anrechnung der Zahlung zunächst auf die Zinsen aus (§ 367 Abs. 2 BGB). Danach verbleibt eine of...

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