Überholen nur bei klarer Verkehrslage zulässig

Ein Auto hielt innerorts hinter einem am rechten Fahrbahnrand parkenden Lkw. Als das Auto links abbiegen wollte, kollidierte es mit dem hinter ihm fahrenden Bus, der in diesem Moment zum Überholvorgang angesetzt hatte. Der Busfahrer gab an, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug dem Bus per Zeichen den Vorrang gelassen habe, woraufhin er sein Fahrzeug auf die linke Spur gezogen habe, um die beiden Fahrzeuge zu überholen.
Blinkersetzung konnte nicht geklärt werden
Die Pkw-Fahrerin hatte behauptet, sie sei mit links gesetztem Blinker an den vor ihr parkenden Lkw herangerollt, habe sich nach hinten umgesehen und den Abbiegevorgang nach links bereits eingeleitet, als sie mit dem Bus kollidiert sei. Der Busfahrer hingegen behauptete, die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs habe rechts geblinkt. Die Zeugenaussagen zu dem Sachverhalt fielen widersprüchlich aus.
Das Landgericht Lübeck hat festgestellt, dass das Amtsgericht zu Recht von einer Haftungsverteilung von 50 zu 50 ausgegangen ist. Es liege auch ein erheblicher Verursachungsbeitrag bei dem Fahrer des Busses, der sich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 3 StVO zurechnen lassen müsse. Ein Überholen bei unklarer Verkehrslage ist nach § 5 Abs. 3 StVO unzulässig.
Wann ist eine Verkehrslage unklar?
- Generell dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles mit einem ungefährdeten Überholen nicht gerechnet werden darf.
- Dies ist auch dann der Fall, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun wird.
- Eine unklare Verkehrslage liegt auch dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug seine Geschwindigkeit vor dem Überholvorgang erkennbar deutlich verlangsamt und dies in Verbindung mit der sonstigen Verkehrssituation und -örtlichkeit geeignet ist, Zweifel über die beabsichtigte Fahrtweise aufkommen zu lassen (OLG Schleswig, Urteil v. 21.04.1993, 9 U 18/92).
In der konkreten Situation musste es für nachfolgende Fahrzeuge in erheblichem Maße unklar sein, wie sich der hinter dem parkenden Lkw zum Stehen gekommene Pkw verhalten würde, so das Gericht. Es habe einerseits die Möglichkeit bestanden, dass der Pkw für längere Zeit hinter dem Lkw stehen bleiben würde. Andererseits habe auch die Möglichkeit bestanden, dass der Pkw den entgegenkommenden Verkehr abwartet, um dann links an dem Lkw vorbeizufahren.
Letzteres sei sogar in besonderem Maße naheliegend gewesen, da eine Zeugin glaubhaft geschildert habe, dass die Pkw-Fahrerin eher mittig hinter dem Lkw gehalten und sich gerade nicht im Sinne eines Parkens oder Haltens rechts entlang des Bordsteins eingeordnet habe. Die Autofahrerin wiederum habe gegen ihre Pflichten aus § 9 Abs. 5 StVO beim Linksabbiegen verstoßen.
(LG Lübeck, Urteil v. 06.10.2022, 14 S 13/22)
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Der Konsonant darf im Genitiv (dann doch endlich) verdoppelt werden, auch wenn er sinnwidrig und widersprüchlich beim 'Bus' trotz seines bereits kurzen Vokals immer noch nur allein dasteht.
Die Rechtschreib(neu)regelungen andernorts der offiziellen Sprachpanscher sind eben einfach nicht konsistent. Mal Hüh, mal Hott. Beim Schuss und Kuss, es alles muss, das Fass, der Pass, die Tass', das passt, der Biss, gewiss, doch der Buss bleibt Stuss. Hass.