Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs bei die Berufung zurückweisenden Beschlüssen

 

Normenkette

ZPO §§ 321a, 522 Abs. 1 S. 2, §§ 533, 538

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 14.10.2003; Aktenzeichen 4 O 330/02)

 

Tenor

Der Senatsbeschluss vom 14.10.2003 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die mit der Berufungsbegründung erhobene Widerklage des Beklagten wirkungslos geworden ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückzahlung eines Effekten-Dispositionskredits.

Das LG hat der Klage stattgegeben.

Hiergegen hat der Beklagte beim hiesigen OLG Berufung eingelegt und zusammen mit der Berufungsbegründung Widerklage erhoben.

Der zunächst für die Berufung zuständige – auswärtige – 12. Zivilsenat des OLG in Darmstadt hat das Verfahren sodann gem. der Zehnten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Senate des OLG Frankfurt am Main in Darmstadt und Kassel vom 18.6.2003 an den hiesigen Senat abgegeben.

Mit Schreiben vom 3.9.2003 hat der Senatsvorsitzende den Beklagten unter näherer Angabe der Gründe darauf hingewiesen, dass der Senat aufgrund Beratung beabsichtige, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO wegen Aussichtslosigkeit durch Beschluss zurückzuweisen und die Widerklage nach § 533 Nr. 2 ZPO nicht zuzulassen, und hat zur Stellungnahme eine Frist bis zum 24.9.2003 gesetzt, die er auf Antrag des Beklagten bis 1.10.2003 verlängert hat.

Am 1.10.2003 ist diese Stellungnahme nebst einer Ergänzung – zunächst als Faxschreiben, dann im Original – beim hiesigen Gericht unter Angabe des Aktenzeichens des früheren 12. Zivilsenates eingegangen. Dementsprechend sind beide Schriftsätze an den auswärtigen Senat in Darmstadt weitergeleitet worden. Von dort sind beide erst am 21.10.2003 beim hiesigen Senat eingegangen.

Inzwischen hatte der Senat jedoch – mangels einer ihm vorliegenden Stellungnahme des Beklagten – bereits mit Beschluss vom 14.10.2003 die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses ist am 17.10.2003 an die Prozessbevollmächtigten der Parteien abgesandt worden.

Nach Hinweis auf die Sachlage durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 21.10.2003 hat der Beklagte mit einem am 3.11.2003 eingegangenen Schriftsatz eine „Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gem. § 321a ZPO (analog), hilfsweise Gegenvorstellung, äußerst hilfsweise Ausnahmebeschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit” erhoben.

B.I. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gem. § 321a ZPO analog ist zulässig.

1. Der Senat folgt zur Frage der Statthaftigkeit dieser Rüge gegen Beschlüsse nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO der ihn überzeugenden Auffassung des 2. und des 13. Zivilsenates des OLG Celle (OLG Celle, Beschl. v. 4.12.2002 – 13 U 77/02, NJW 2003, 906 = OLGReport Celle 2003, 71; Beschl. v. 8.5.2003 – 2 U 205/02, OLGReport Celle 2003, 258).

Es entspricht schon vom Ansatz her einem Gebot des BVerfG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 [887] = NJW 2003, 1924 [1926, 1927]) und einem dringenden Bedürfnis der Rechtspraxis, die Verletzung des verfassungsmäßig garantierten Anspruchs einer Partei auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), zumal wenn sie offensichtlich ist, im Wege der Selbstkontrolle der Fachgerichte zu prüfen und ggf. zeitnah zu heilen, um dadurch zum einen das BVerfG von Verfassungsbeschwerden, die darauf gestützt werden, zu entlasten, aber zum anderen auch, um die dadurch verletzte Partei vor weiteren Rechtsnachteilen zu schützen.

2. Die abl. Entscheidungen (OLG Oldenburg v. 14.10.2002 – 11 UF 208/01, MDR 2003, 229 = OLGReport Oldenburg 2002, 302; OLG Celle, Beschl. v. 30.5.2003 – 20 U 76/02, OLGReport Celle 2003, 316; OLG Rostock v. 9.4.2003 – 6 U 101/02, MDR 2003, 1012 = NJW 2003, 2105) überzeugen den Senat dagegen nicht.

2.1. Der Hinweis auf den entgegenstehenden Wortlaut der Vorschrift des § 321a ZPO Abs. 1 ZPO kann nicht ausschlaggebend sein; insoweit greift die Gegenmeinung zu kurz. Denn in Betracht kommen kann sowohl eine aufgrund einer Verweisung nur entspr. als auch eine wegen einer Regelungslücke analoge Anwendung.

a) Eine „entspr.” Anwendung einer Norm kann sich niemals allein an deren Wortlaut orientieren; denn sonst liefe jede Verweisung i.d.R. ins Leere. Es kann und soll sich dabei immer nur um eine entspr., sinngemäße, d.h. die Besonderheiten und Bedürfnisse der verweisenden Norm berücksichtigende Anwendung handeln.

Ob § 525 S. 1 ZPO, der für das Berufungsverfahren die „entspr.” Anwendung der Vorschriften über das erstinstanzliche Verfahren vor den LG anordnet, zu denen auch § 321a ZPO gehört, wie sich aus der Zugehörigkeit dieser Vorschrift zu Buch 2 Abschn. 1 der ZPO ergibt, auch auf diese Vorschrift verweisen will, erscheint allerdings zweifelhaft; denn diese Verweisung gilt nach ihrem Wortlaut für „das weitere Verfahren”. Aus der Stellung des § 525 ZPO dürfte zu folgern sein, dass die Verweisung nur für die Durchführung des Berufungsverfahrens gelten sol...

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