Entscheidungsstichwort (Thema)

Abstand von Verkehrszeichen und Messstelle bei Geschwindigkeitsverstoß. Unterschreiten des Mindestabstands bei Einsatz eines Geschwindigkeitsrichters. grobe Pflichtwidrigkeit bei Durchfahren des Geschwindigkeitsrichters

 

Leitsatz (amtlich)

›1. Nach der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs vom 01. April 1998 (Az.: 31-1132.10/66) soll der Abstand zwischen dem die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichen und der Messstelle mindestens 150 m betragen. Ein der Messstelle vorhergehender Geschwindigkeitsrichter begründete nach der Verwaltungsvorschrift einen Ausnahmefall, der ein Unterschreiten des Mindestabstands erlaubt und deshalb eine grobe Pflichtwidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung in subjektiver Hinsicht nicht entfallen lässt.

2. Dem Betroffenen ist in subjektiver Hinsicht auch dann eine grobe Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen, wenn er bei Durchfahren eines Geschwindigkeitsrichters die der letzten Beschränkung vorhergehende Geschwindigkeitsbeschränkung bereits in erheblicher Weise (hier: um 16 km/h) überschritten hat.‹

 

Verfahrensgang

AG Riesa (Entscheidung vom 12.03.2004; Aktenzeichen 7 OWi 166 Js 73197/03)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der durch Verkehrszeichen 274 angegebenen zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 100,00 EUR verurteilt, ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat festgesetzt und die Privilegierung des § 25 Abs. 2 a StVG gewährt.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene mit einem Pkw die Bundesstraße 98 von Sacka in Richtung Thiendorf mit einer toleranzbereinigten Geschwindigkeit von 86 km/h. An der Messstelle betrug die zulässige Höchstgeschwindigkeit 40 km/h. Die Geschwindigkeitsbeschränkung war durch ein 113 m vor der Messstelle angebrachtes Verkehrszeichen 274 angeordnet worden. In einer Entfernung von 210 Metern vor der Messstelle befand sich ein weiteres Verkehrszeichen 274, das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt hatte.

Gegen das Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Rechtsbeschwerde das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Rechtsbeschwerde im Übrigen als unbegründet zu verwerfen. Sie meint, die Geschwindigkeitsmessung sei unter Verstoß gegen die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs durchgeführt worden.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG. Ausführungen sind lediglich insoweit veranlasst, als die Generalstaatsanwaltschaft die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch beantragt hat.

Die Anordnung des Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG weist keinen Rechtsfehler auf. Durch die Erfüllung des Tatbestandes der §§ 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, §§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV, Nr. 11.3 BKat i.V.m Tabelle 1 Buchst. c Nr. 11.3.7 ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG indiziert.

Dem steht nicht entgegen, dass die Entfernung zwischen der Messstelle und dem die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h anordnenden Zeichen 274 lediglich 113 m betrug. Denn das Messergebnis ist korrekt gewonnen worden, und die Messung hat nicht gegen die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs vom 01. April 1998 (Az.: 31-1132.10/66) verstoßen. Mangels eines Verstoßes ist die indizierte grobe Pflichtwidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung deshalb nicht in subjektiver Hinsicht entfallen (vgl. OLG Oldenburg VRS 91, 478; OLG Köln VRS 96, 62; BayObLG NZV 1995, 496; NZV 2002, 576; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 374; DAR 2000, 580).

Die vorbezeichnete Verwaltungsvorschrift schreibt in ihrer Anlage 1 Nr. 1 zwar vor, dass der Abstand zwischen dem Verkehrszeichen und der Messstelle grundsätzlich mindestens 150 m betragen soll. Im vorliegenden Fall bestand jedoch ein begründeter Ausnahmefall, der nach der Verwaltungsvorschrift Messungen auch in kürzerem Abstand zu dem die Geschwindigkeit beschränkenden Zeichen erlaubt. Die Beschränkung auf 40 km/h war nämlich entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Teil eines der Messstelle vorhergehenden Geschwindigkeitstrichters.

Dem angegriffenen Urteil ist zu entnehmen, dass die Messung außerhalb geschlossener Ortschaften durchgeführt wurde. Damit durfte der Betroffene zunächst gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c StVO mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h fahren, bevor die Geschwindigkeit 200 m vor der Messstelle auf 70 km/h und 113 m vor der Messstelle auf 40 km/h begrenzt wurde.

Dem Betroffenen ist daneben auch deshalb in subjektiver Hinsicht eine grobe Pflichtwid...

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