Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH-Bewilligungsverfahren: Entscheidungsweise über eine Stufenklage. Anrufung verschiedener Gerichte auf den einzelnen Stufen

 

Leitsatz (amtlich)

Über den Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage ist nicht sofort insgesamt, sondern stufenweise zu entscheiden. Die Folge davon, dass eine bedürftige Partei keine Stufenklage erheben kann, wenn die Ansprüche auf den einzelnen Stufen zur sachlichen Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören, ist hinzunehmen.

 

Normenkette

ZPO § 114 S. 1, § 118 Abs. 1, § 254

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit das Landgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die zweite und dritte Stufe der beabsichtigten Stufenklage abgelehnt hat. Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Rechtsmittel ist in dem aus der Formel des Beschlusses ersichtlichen Umfang begründet.

I. Die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe insgesamt ist nicht gerechtfertigt. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes lässt sich nicht feststellen, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung in jeder Hinsicht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO). Die Annahme, die Antragsgegnerin sei aufgrund der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung berechtigt, die Leistung auf den Pflichtteil der Antragstellerin nach deren am 24. Juli 2007 verstorbenen Vater K.-A. M. zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB), ist derzeit nicht möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass die Veranlassung der Bekanntgabe des Antrags auf Prozesskostenhilfe an die Antragsgegnerin durch das Landgericht am 6. Januar 2012 (Bl. 3 d. A.) die dreijährige Verjährung (§ 2332 Abs. 1 Halbs. 1 BGB a. F.) gehemmt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 Halbs. 1 BGB). Diese könnte erst am 1. September 2010 begonnen haben. Es wird durch Anhörung der Antragstellerin im Prozesskostenhilfeverfahren zu klären sein, welchen Brief sie am 1. September 2010 geöffnet hat.

1. Sollte dieser das am 13. September 2007 herausgegangene Schreiben des Nachlassgerichts vom Vortage mit dem gemeinschaftlichen Testament des Erblassers und der Antragsgegnerin vom 20. November 1995 gewesen sein, ist der Antragstellerin womöglich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die fehlende Kenntnis von der sie beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung bis zum 1. September 2010 zu berufen, weil sie sich dieser Kenntnis bewusst verschlossen hat. Dafür kommt es darauf an, wann und unter welchen Umständen die Antragstellerin das Schreiben des Nachlassgerichts erhalten hat.

2. Sollte es sich um ein anderes Schreiben gehandelt haben, mag die maßgebliche Kenntnis erst am 1. September 2010 eingetreten sein, wobei zu klären ist, wer Absender des Schreibens war und welchen Inhalt es hatte. Die Tatsache, dass die Geschwister der Antragstellerin die Benachrichtigung durch das Nachlassgericht bekommen haben, ist kein sicheres Anzeichen dafür, dass es bei der Antragstellerin genauso war. Es gibt keine tatsächliche Vermutung, dass Post, die der Absender aufgegeben hat, den Empfänger erreicht. Die Antragsgegnerin hat den Zugang der Mitteilung durch das Nachlassgericht bei der Antragstel-lerin zu beweisen, was ihr nicht gelingen wird.

II. Auf der ersten Stufe ist die beabsichtigte Klage unzulässig, über den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die zweite und dritte Stufe erst zu entscheiden, wenn die Antragstellerin zu diesen Stufen übergehen möchte.

1. Das Landgericht ist für die Klage auf der ersten Stufe sachlich nicht zuständig. Der Gegenstand der auf dieser Stufe verfolgten Ansprüche übersteigt an Geldeswert nicht 5.000 Euro (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG). Der Anspruch auf Auskunft und derjenige auf Wertermittlung, welcher neben diesem als auf dasselbe Ziel der Bezifferung des Pflichtteils gerichtet keinen eigenen Wert hat, sind mit zusammen 2.536,16 € zu bewerten. Dieser Betrag entspricht einem Viertel dessen, was die Antragstellerin an Zahlung zu erwarten hat, womit der Senat Auskunft und Wertermittlung regelmäßig veranschlagt. Die Antragsgegnerin hat dem Nachlassgericht den Wert des Nachlasses beim Erbfall mit 162.314,32 € mitgeteilt (Bl. 29 f. d. A. 56 IV 285/07 AG Hannover), wovon der Antragstellerin 1/16 (= 10.144,65 €) zustände.

2. Über den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Stufenklage ist stufenweise zu entscheiden (wie hier: OLG Naumburg Beschl. v. 31. Mrz. 1999, 3 WF 35/99, zit. nach juris: Rn. 3). Erhielte die bedürftige Partei Prozesskostenhilfe sogleich für die gesamte Klage, könnte sie wegen ihrer Kosten zu Unrecht öffentliche Mittel nach dem Streitwert ihrer in der Klagschrift geäußerten Erwartung, die sie im Ergebnis in ihre Stufenklage setzt, in Anspruch nehmen, auch wenn diese Erwartung sich nach erteilter Auskunft als zu hoch erweist. Dieser Gefahr zu begegnen, indem die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Antrag beschränkt wird, der sich aus der zu erteilenden Auskunft ergibt, und nach Konkretisierung des unbestimmten Antrags auf der dritten Stufe ang...

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