Entscheidungsstichwort (Thema)

Urteilsanforderungen bei Abkürzung der Regelfahrverbotsdauer

 

Leitsatz (amtlich)

Die von den Gerichten im Interesse der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen zu beachtende Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 Abs. 1 BKatV gilt auch für die Dauer des aufgrund einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 (1.Alternative) StVG verwirkten Regelfahrverbots (Festhaltung u.a. an OLG Bamberg zfs 2006, 533 ff. = DAR 2006, 515 f. = VRR 2006, 230 ff. = VRS 111, 62 ff. und OLG Bamberg DAR 2009, 401 f. = VerkMitt 2009, Nr. 63 = VRR 2009, 309 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 46).

 

Normenkette

StPO § 267 Abs. 3; OWiG § 67 Abs. 2, § 71 Abs. 1; StVG § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a S. 1; StVO § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; BKatV § 4 Abs. 1; BKat Nr. 11.3.8 (Anh. Tab. 1c)

 

Tatbestand

Das AG hat den bislang verkehrsrechtlich unbelasteten Betr. wegen einer am 17.07.2013 als Führer eines Pkw innerhalb geschlossener Ortschaften begangenen fahrlässigen Überschreitung der dort gemäß § 3 III 1 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 55 km/h zu einer Geldbuße von 560 Euro verurteilt und gegen ihn ein mit der Anordnung nach § 25 IIa 1 StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monaten verhängt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die StA die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, dass das AG gegen den Betr. nicht entsprechend dem Bußgeldbescheid gemäß § 4 I 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.8 der Tab. 1c zum BKat ein Regelfahrverbot für die Dauer von 2 Monaten verhängt hat. Das Rechtsmittel erwies sich als erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

I. Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 3 OWiG) sowie auch im Übrigen zulässige und wegen der in der Hauptverhandlung vom 29.11.2013 wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 67 II OWiG) nur noch diesen betreffende Rechtsbeschwerde erweist sich - zumindest vorläufig - als begründet.

1. Das AG hat zutreffend erkannt, dass aufgrund der rechtskräftigen Feststellungen des Bußgeldbescheids gemäß §§ 24, 25 I 1 1. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 I 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.8 der Tab. 1c zum BKat neben der Anordnung einer Geldbuße in Höhe von 280 Euro an sich die Verhängung eines Regelfahrverbots für die Dauer von 2 Monaten wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in Betracht kam. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das AG abweichend von dem an sich verwirkten Regelfahrverbot von 2 Monaten zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer lediglich eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2. Aufgrund der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 I BKatV ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung i.S.v. § 25 I 1 StVG indiziert, so dass es regelmäßig der Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme bedarf (BGHSt 38, 125/130 und 231/235; BayObLG VRS 104, 437/438; stRspr. des Senats). Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (BVerfG NZV 1996, 284/285). Zu diesen Rechtsfolgen zählt jedoch nicht nur die Frage, ob gegen einen Betr. "in der Regel" ein Fahrverbot zu verhängen ist (§ 4 I 1 BKatV), sondern auch, wie sich aus § 4 I 2 BKatV ergibt, die "in der Regel" festzusetzende Dauer des aufgrund einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.v. § 25 I 1 StVG verwirkten Fahrverbots (OLG Bamberg, Beschlüsse vom 11.04.2006 - 3 Ss OWi 354/06 = zfs 2006, 533 ff. = DAR 2006, 515 f. = VRR 2006, 230 ff. = VRS 111, 62 ff. und vom 18.03.2009 - 3 Ss OWi 196/09 = DAR 2009, 401 f. = VerkMitt 2009, Nr. 63 = VRR 2009, 309 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 46, jeweils m.w.N.).

3. Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betr. anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen. Hier wie dort können dabei sowohl außergewöhnliche Härten als auch eine Vielzahl minderer Erschwernisse bzw. entlastender Umstände genügen, um eine Ausnahme zu rechtfertigen (OLG Bamberg a.a.O. m.w.N.).

4. Auch die Frage der Dauer eines zu verhängenden Fahrverbots liegt hierbei grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Tatrichters, der innerhalb des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen hat. S...

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