Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Anrechnung der im Mahnverfahren entstandenen Widerspruchsgebühr auf die Vergütung eines beigeordneten Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im Mahnverfahren entstandene 0,5 Widerspruchsgebühr nach Nr. 3307 RVG-VV ist auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG auf die gerichtliche Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts nach Nr. 3100 RVG-VV anzurechnen.

2. Entsprechend der Handhabung des Anrechnungstatbestandes der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 RVG-VV betreffend die vorgerichtliche Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 (BGH NJW 2008, 1323) ist es auch im Rahmen der Festsetzung unerheblich, ob die Widerspruchsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist (Fortführung von OLG Oldenburg OLGR 2009, 41).

3. Im Anwendungsbereich des § 49 RVG, d.h. jenseits einer Wertgrenze von 3.000 EUR, hat die Anrechung der Widerspruchsgebühr nach Nr. 3307 in der Weise zu erfolgen, dass die verminderte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 nur um das 0,5fache des ermäßigten Vergütungssatzes nach der Tabelle zu § 49 RVG gekürzt wird (im Anschluss an Senat JurBüro 2008, 640).

 

Normenkette

RVG §§ 45, 49, 55, 58; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1; RVG-VV Nrn. 2300, 3100, 3307

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 29.04.2008; Aktenzeichen 3 T 783/08)

AG Würzburg (Beschluss vom 20.02.2008; Aktenzeichen 14 C 3540/06)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsmittel (weitere Beschwerde bzw. Beschwerde) des Bezirksresevisors bei dem LG Würzburg werden der Beschluss des LG Würzburg vom 29.4.2008 und der Beschluss des AG Würzburg vom 20.2.2008 aufgehoben.

II. Die Erinnerung des beigeordneten Rechtsanwalts des Beklagten gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des AG Würzburg vom 27.8.2007 und sein weitergehender Festsetzungsantrag werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der antragstellende Rechtsanwalt der Beklagtenseite, für die er im Laufe des Jahres 2006 zunächst im Rahmen von Beratungshilfe tätig geworden war und später Widerspruch gegen den am 28.11.2006 zugestellten Mahnbescheid erhoben hatte, vom AG Würzburg im Rahmen der Bewilligung von ratenfreier Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Nach Abschluss eines Prozessvergleiches vor dem AG hat der Beklagtenvertreter die Festsetzung einer Vergütung i.H.v. 577,75 EUR beantragt. Die Urkundsbeamtin des AG hat demgegenüber mit Beschluss vom 27.8.2007 die Vergütung auf insgesamt 456,96 EUR festgesetzt, wobei zum einen die hälftige Geschäftsgebühr für die vorab vergütete Beratungshilfe nach Nr. 2503 II RVG-VV abgesetzt und außerdem entsprechend der Anmerkung zu Nr. 3307 RVG-VV auch die im Mahnverfahren angefallene 0,5 Widerspruchsgebühr i.H.v. (netto) 66,50 EUR auf die angemeldete 1,3 Verfahrensgebühr nach 3100 RVG-VV angerechnet wurde.

Auf die Erinnerung des beigeordneten Rechtsanwalts hat das AG mit Beschluss vom 20.2.2008 - insoweit antragsgemäß - die Anrechnung der Widerspruchsgebühr entfallen lassen und die Vergütung auf insgesamt [456,69 EUR+(66,50 EUR+19 MwSt.) =] 536,10 EUR heraufgesetzt. Die zugelassene Beschwerde der Staatskasse blieb ohne Erfolg. In seinem Zurückweisungsbeschluss vom 29.4.2008 hat das LG im Wesentlichen ausgeführt:

Zwar könne sich die Staatskasse auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG grundsätzlich auf Anrechnungsbestände berufen, weswegen die Urkundsbeamtin zu Recht die vorab vereinnahme Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfe abgesetzt habe. Dagegen sei der Anrechnungstatbestand zu Nr. 3307 RVG-VV nach seinem Sinn und Zweck nicht erfüllt, weil der Beklagtenvertreter die 0,5 Verfahrensgebühr für die Einlegung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid weder vom Mandanten noch einem sonstigen Dritten erhalten habe. In einem solchen Fall könne die Staatskasse den beigeordneten Bevollmächtigten nicht darauf verweisen, dass er sich an seinen Mandanten zu halten habe, der arm im Sinne des Gesetzes und somit nicht leistungsfähig sei. Andernfalls würde der beigeordnete Rechtsanwalt schlechter als ein Wahlanwalt stehen, der im Normalfall die im Mahnverfahren angefallene Gebühr wenigstens im Wege der Zwangsvollstreckung realisieren könne. Die Richtigkeit des Ergebnisses werde im übrigen durch die Vorschriften der § 58 I und II RVG bestätigt.

Hiergegen richtet sich die von der Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene weitere Beschwerde der Staatskasse, die der Ablehnung der Anrechnung der Widerspruchsgebühr als rechtsfehlerhaft (§ 33 VI, 2 RVG, § 546 ZPO) rügt.

II. Das nach den §§ 56 II, 33 VI RVG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel der Staatskasse hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des Festsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin des AG Würzburg vom 27.8.2007.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die im Mahnverfahren angefallene 0,5 Widerspruchsgebühr auch auf die hier festzusetzende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV anzurechnen.

1. Der Wortlaut der Anmerkung zu Nr. 3307 RVG-VV (im Folgenden nur: Nr. 3307) ist eindeutig u...

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