Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Staatsanwaltschaft. Sachrüge. Bußgeldbescheid. Einspruch. Einspruchsbeschränkung. Rechtskraft. Teilrechtskraft. horizontal. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Geschwindigkeit. Geschwindigkeitsüberschreitung. Geldbuße. Regelgeldbuße. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Vorsatz. Hauptverhandlung. Hauptverhandlungsprotokoll. Protokoll. Protokollurteil. Urteil. Urteilsabsetzung. Urteilsabsetzungsfrist. Urteilsgründe. Urteilsergänzung. nachträglich. Urschrift. Übersehen. Aktenübersendung. Bekanntmachung. Zustellung. Urteilszustellung. Zustellungswille. Rechtsmittelverzicht. Normzweck. Pflichtenverstoß. grob. Ermessen. Ermessensspielraum. Beurteilungsspielraum. Vorbewertung. Sanktionspraxis. Gleichbehandlung. Augenblicksversagen. Härtefall. Existenzgrundlage. Vollstreckungsaufschub. Durchentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nachträgliche Begründung eines Urteils, welches als so genanntes Protokollurteil ohne Gründe aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist, ist im Falle der Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 77b Abs. 2 OWiG auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft, die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, vorher eine schriftliche Begründung des Urteils nach § 77b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG beantragt hatte (Anschluss an BGH, Beschl. v. 13.03.1997 - 4 StR 455/96 = BGHSt 43, 22 = VkBl. 1997, 498 = EBE/BGH 1997, 154 = NJW 1997, 1862 = MDR 1997, 682 = NZV 1997, 315 = ZfS 1997, 274 = VersR 1997, 984 = DAR 1997, 316 = BGHR OWiG § 77b Nachholen der Urteilsbegründung 1 = VRS 93 [1997], 309 = VM 1998, Nr 2 = JR 1998, 74 = NStZ 1998, 454).

2. Ein Augenblicksversagen, das ein Abweichen von einem bußgeldrechtlich verwirkten Regelfahrverbot rechtfertigen könnte, kommt bei einem vorsätzlichen Verkehrsverstoß von vornherein nicht in Betracht.

3. Bloße berufliche Schwierigkeiten rechtfertigen - von Fällen der Existenzgefährdung abgesehen - grundsätzlich nicht ein Absehen von einem Regelfahrverbot.

 

Normenkette

StPO § 36 Abs. 1 S. 1, §§ 41, 275 Abs. 1 S. 2; OWiG § 67 Abs. 2, §§ 77b, 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 6; StVG §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 2a; StVO § 41 Abs. 2, § 49 Abs. 3 Nr. 4; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BKat Lfd. Nr. 11.3.8

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 11.12.2017 aufgehoben.

  • II.

    Gegen den Betroffenen wird wegen der aufgrund des insoweit rechtskräftigen Schuldspruchs aus dem Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 29.08.2017 begangenen Ordnungswidrigkeit (vorsätzliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 53 km/h) eine Geldbuße in Höhe von 480 € verhängt.

  • III.

    Dem Betroffenen wird für die Dauer eines Monats verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

  • IV.

    Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein des Betroffenen in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

  • V.

    Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt setzte mit Bußgeldbescheid vom 29.08.2017 gegen den Betroffenen wegen einer am 26.06.2017 als Fahrer eines Pkw auf einer Bundesstraße vorsätzlich begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h eine Geldbuße von 480 € fest. Außerdem ordnete sie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG an.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen nach Einlegung des Einspruchs, der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, zu einer Geldbuße von 1.200 € verurteilt.

Von der Verhängung des im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbots für die Dauer eines Monats hat es dagegen abgesehen. Zur Begründung wurde insoweit im Wesentlichen ausgeführt, der Betroffene sei aus beruflichen Gründen "dringend auf den Führerschein angewiesen", weil er als Leiter der Qualitätssicherung seine Arbeitgeberin "mindestens wöchentlich bundesweit vertreten müsse", wobei die Termine teilweise sehr kurzfristig wahrzunehmen seien. Eine Vertretung - außer durch den "Chef" - sei nicht geregelt. Außerdem bekomme der Betroffene keinen "vierwöchigen Urlaub am Stück". Schließlich hielt das Amtsgericht dem verkehrsrechtlich nicht vorbelasteten Betroffenen zugute, dass es sich wegen des "kurzfristigen Überholvorgangs" um ein "Augenblicksversagen" gehandelt habe. Der Betroffene hat im Anschluss an die Urteilsverkündung zu Protokoll Rechtsmittelverzicht erklärt.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, dass das Amtsgericht zu Unrecht von der Verhängung des gebotenen Regelfahrverbots abgesehen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Zur Begründung wird darauf abgestellt, das Amtsg...

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