Leitsatz

  1. Auf Anfechtung hin ungültiger Genehmigungsbeschluss zum Umbau einer Gewerbeeinheit in 3 kleinere Teileigentumseinheiten
  2. Hinsichtlich der Nachteilswirkung sind die unter einem einheitlichen Tagesordnungspunkt gefassten Beschlüsse nicht isoliert zu betrachten, vielmehr ist das Gesamtvorhaben insgesamt zu beurteilen
  3. Von Duldungspflichten ist nicht schon deswegen auszugehen, weil der Umbau für erforderlich gehalten wird, um die betreffende Einheit wirtschaftlich rentabel nutzen zu können
  4. Bedürfen bauliche Veränderungen der Zustimmung des Verwalters, besteht dieses Erfordernis zusätzlich, also nicht anstelle von Zustimmungspflichten der Eigentümer
 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG; § 139 BGB

 

Kommentar

  1. Von der Klägerin wurden gefasste Beschlüsse unter einem Tagesordnungspunkt angefochten, durch die diverse bauliche Veränderungen an einer Gewerbeeinheit genehmigt werden sollten. Die große Gewerbeeinheit sollte unter Einbeziehung der davorliegenden Innenhoffläche in 3 kleinere Teileinheiten umgebaut werden, um sie als Kindertagesstätte, Postfiliale und ggf. ein Lager rentierlich nutzen zu können.

    In der Gemeinschaftsordnung war vereinbart, dass bauliche Veränderungen auch hinsichtlich eines Sondereigentums nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters vorgenommen werden dürften, wenn sie geeignet seien, auf das gemeinschaftliche Eigentum und dessen Benutzung einzuwirken, ein auf Sondereigentum beruhendes Recht über das zulässige Maß zu beeinträchtigen oder die äußere Gestalt des Gebäudes zu verändern.

    Mit der beschlossenen Umbaugenehmigung wollten die Beklagten die große Gewerbeeinheit wirtschaftlich rentabel und wieder vermietbar machen, um insbesondere auch Wohngeldzahlungen des Eigentümers dieses Teileigentums zu sichern.

    In beiden Instanzen wurden die gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt (bei Streitwert von jeweils 100.000 EUR).

  2. Einige angefochtene Beschlüsse waren schon deshalb für ungültig zu erklären, weil sie entgegen § 23 Abs. 2 WEG unstreitig nicht in der Einladung zur Versammlung angekündigt worden waren; eine Kausalität dieses Formfehlers zum Beschlussergebnis lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen.
  3. Die übrigen angefochtenen Beschlüsse zur Umbaugenehmigung waren für ungültig zu erklären, weil sie nicht mit der nach §§ 22 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG erforderlichen Zustimmung aller Miteigentümer gefasst wurden. Die Klägerin ist durch die Beschlüsse gemäß § 14 Nr. 1 WEG nachteilig betroffen.
  4. Entscheidend ist insoweit die Gesamtbetrachtung der beschlossenen Einzelmaßnahmen, die unter einheitlichem TOP gefasst wurden. Es ist hier nicht auf die einzelnen Teilbaumaßnahmen abzustellen, vielmehr ist das Gesamtvorhaben insgesamt zu beurteilen (Anschluss an BayObLG, NJW-RR 1992 S. 272). Eine Gesamtbetrachtung entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 139 BGB.
  5. Der beschlossene Umbau ist optisch nachteilig im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG. Die Schwelle dafür, ob ein nur unerheblicher und damit duldungspflichtiger Nachteil entsteht, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eher niedrig anzusetzen (h.M., BVerfG in NVwZ 2005 S. 801, 802). Grundsätzlich ist gemäß Art. 14 Abs. 1 GG eine einseitige Umgestaltung einer Sache ohne oder gegen den Willen der Miteigentümer nicht möglich.

    Vorliegend sollte das bisher auf der Westseite des Hauses bestehende Mauerwerk durch den Einbau von Fenstern und durch einen neuen Zugang durchbrochen werden; insoweit wird das bisher relativ einheitliche Erscheinungsbild der Westfassade gestört. Auch sollten Spielgeräte sowie ein umzäunter Bereich im Innenhof bisher vorhandene Stellplatzflächen verändern.

  6. Nachteilig ist der beschlossene Umbau auch deshalb, da er Nutzungsmöglichkeiten erweitert. Durch die Veränderungen soll vorliegend auch eine intensivere und deswegen typischerweise störendere Nutzung gegenüber ursprünglicher Nutzung (als Supermarkt) ermöglicht werden. Auch die Gefahr späterer intensiverer Nutzungen stellt für betroffene Miteigentümer einen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG dar.
  7. Gesetzliche Grenzen dürfen auch nicht allein zum Zweck der besseren Verwertung einer Teileigentumseinheit außer Kraft gesetzt werden (KG Berlin, ZMR 2002 S. 967). Das wirtschaftliche Risiko trägt hier grundsätzlich der betreffende Eigentümer, welches nicht auf die übrigen Eigentümer verlagert werden kann.
  8. Auch wenn nach Teilungserklärung beliebige gewerbliche Nutzung dieser Teileigentumseinheit gestattet ist, bedeutet dies nicht, dass damit auch sämtliche hierfür erforderlichen Umbauten genehmigt sind (h.M.).
  9. Bedürfen bauliche Veränderungen nach Gemeinschaftsordnung der Zustimmung des Verwalters, tritt dieses Erfordernis zusätzlich zur – nicht anstelle von der – Zustimmungspflicht (vgl. bereits Hinweisbeschluss der Kammer v. 23.11.2009 im Parallelverfahren zu Az. 1 S 17087/09, so auch OLG Zweibrücken, NJW 1992 S. 2899 und OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997 S. 1103).
  10. Im Übrigen wurden vorliegend nach Gemeinschaftsordnung allenfalls Durchbrüche innerhalb einer Sondereigentumseinheit...

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