Das Urteil wurde am 20.06.2011 verkündet und ist rechtskräftig.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden in mehreren hintereinander unter einem TOP gefassten Beschlüssen diverse einzelne Baumaßnahmen beschlossen, die alle das Ziel haben, eine Gewerbeeinheit umzubauen, darf nicht nur jede einzelne Teilbaumaßnahme für sich allein, isoliert betrachtet und auf Nachteile gemäß § 14 Nr. 1 WEG hin untersucht werden. Es ist dabei vielmehr auch das Gesamtvorhaben insgesamt zu beurteilen (Anschluss an BayObLG NJW-RR 1992, 272).

2. Nachteile infolge der Umbaumaßnahmen sind nicht allein schon deswegen unvermeidlich im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG, weil der Umbau erforderlich ist, um die betroffene Sondereigentumseinheit wirtschaftlich rentabel nutzen zu können. Das gilt auch, wenn die angestrebte Nutzung noch von der Teilungserklärung gedeckt wäre.

3. Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass bauliche Änderungen der Zustimmung des Verwalters bedürfen, ist diese Regelung regelmäßig dahin auszulegen, dass dieses Erfordernis zusätzlich zur, nicht anstelle von der Zustimmungspflicht der Eigentümer nach §§ 22 I, 14 Nr. 1 WEG besteht.

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen 481 C 411/10 WEG)

 

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000 EUR festgesetzt. Der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts vom 13.08.2010 wird dahingehend abgeändert, dass auch für die erste Instanz ein Streitwert von 100.000 EUR festgesetzt wird.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht hat der Anfechtungsklage zu Recht stattgegeben. Auf die zutreffende, überzeugende Begründung des amtsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

1. Die Beschlüsse Nr. 51 und 52 der Beschlusssammlung waren schon deswegen für ungültig zu erklären, weil sie entgegen § 23 II WEG unstreitig nicht in der Einladung zur Versammlung angekündigt worden waren. Eine Kausalität des Formfehlers zum Beschlussergebnis lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen.

2. Die übrigen angefochtenen Beschlüsse zu TOP 6 sind für ungültig zu erklären, weil sie nicht mit der nach §§ 22 I, 14 Nr. 1 WEG erforderlichen Zustimmung aller Miteigentümer gefasst wurden.

a) Die unter TOP 6 genehmigten umfangreichen Umbaumaßnahmen sind für die Klägerin nachteilig gemäß § 14 Nr. 1 WEG.

(1) Entscheidend ist insoweit eine Gesamtbetrachtung der beschlossenen Einzelmaßnahmen.

(a) Bei den unter TOP 6 gefassten Beschlüssen geht es um den Um- und Ausbau der Einheit Nr. 118 samt der davor gelegenen Innenhoffläche. Letztlich soll die große Gewerbeeinheit in drei kleine Teileinheiten umgebaut werden, um sie als Kindertagesstätte, Postfliliale und ggf. ein Lager nutzen zu können. Dieser sachliche, untrennbare Zusammenhang der beschlossenen Einzelmaßnahmen wird dadurch bekräftigt, dass die Beschlüsse äußerlich alle unter einem einheitlichen TOP gefasst wurden, ihre Bezifferung mit A1 ff. ist gleichfalls einheitlich.

(b) In einem solchen Fall darf nicht jede einzelne (Teil)Baumaßnahme, etwa nur die Farbe der einzubauenden Fenster oder die Versetzung des Gullys, für sich allein, isoliert betrachtet und auf Nachteile gemäß § 14 Nr. 1 WEG hin untersucht werden. Vielmehr ist das Gesamtvorhaben insgesamt zu beurteilen. Es gilt nämlich zu vermeiden, dass durch nacheinander durchgeführte – je für sich genommen u.U. unschädliche – Einzelmaßnahmen am Ende doch ein gesetzwidriger, mit § 14 Nr. 1 WEG Zustand entsteht (BayObLG NJW-RR 1992, 272). Im übrigen entspricht die Gesamtbetrachtung dem Rechtsgedanken des § 139 BGB.

(2) Der beschlossene Umbau ist optisch nachteilig im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG.

(a) Ob eine nachteilige optische Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG vorliegt, richtet sich danach, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer durch die in Rede stehende optische Veränderung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH NJW 1992, 978, 979; Spielbauer/Then, WEG, § 22 Rz. 11; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 22 Rz. 84). Unerhebliche Beeinträchtigungen genügen nicht (Spielbauer/Then, WEG, § 22 Rz. 11; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 22 Rz. 84; Jennißen/Hogenschurz, WEG, § 22 Rz. 30). Die Schwelle dafür, ob ein nur unerheblicher Nachteil entsteht, der von den Miteigentümern hinzunehmen ist, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch eher niedrig anzusetzen (BVerfG NVwZ 2005, 801, 802; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, § 22 Rz. 84; Jennißen/Hogens...

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