Rdn 3115

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, Allgemeines, Teil M Rdn 3052.

 

Rdn 3116

1.a) Gem. § 100e Abs. 6 Nr. 1 dürfen personenbezogene Zufallsfunde, die aus einer Abhörmaßnahme nach § 100c – Großer Lauschangriff – (→ Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, Akustische Wohnraumüberwachung, Teil M Rdn 3063 ff.) erlangt worden sind, in anderen Strafverfahren nur verwendet werden, wenn sie zur Aufklärung einer Katalogtat i.S.d. § 100c benötigt werden (→ Telefonüberwachung, Beweisverwertungsverbote, Teil T Rdn 4324), und zwar sowohl wie bisher schon zu Beweiszwecken als auch als sog. Spurenansatz. Die Zufallsfunde aus einer Maßnahme nach § 100c dürfen in anderen Verfahren aber nur verwendet werden, wenn sie auch im Ausgangsverfahren verwertbar, hier also kein BVV (→ Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, Beweisverwertungsverbote, Teil M Rdn 3110) besteht. Nach ­Löffelmann (ZIS 2006, 96 m.w.N. zur a.A. in Fn 131; ihm folgend Meyer-Goßner/Schmitt, § 100e Rn 21) soll das Fernwirkungsverbot nicht gelten. Der § 100e Abs. 6 Nr. 2 regelt entgegen der Rspr. des BVerfG (NJW 2004, 999) die Verwendung von Erkenntnissen, die für Zwecke der Gefahrenabwehr (wegen der Einzelh. und der Kritik an dieser Regelung Löffelmann ZIS 2006, 96) benötigt werden.

 

☆ Die Regelungen in § 100e (früher: § 100d a.F.) gehen der allgemeinen Regelung in § 477 Abs. 2 vor (vgl. Allgayer/Klein wistra 2010, 130, 131).§ 477 Abs. 2 vor (vgl. Allgayer/Klein wistra 2010, 130, 131).

 

Rdn 3117

b) Für Zufallserkenntnisse aus einer Maßnahme nach §§ 100f, 100h (→ Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, außerhalb von Wohnraum, Teil M Rdn 3085) gelten die allgemeinen Regelungen in § 477 (Meyer-Goßner/Schmitt, § 100f Rn 21 und § 100h Rn 13. Insoweit kann verwiesen werden auf → Verdeckter Ermittler, Beweisverwertungsverbote, Teil V Rdn 4610). Diese gelten entsprechend.

 

Rdn 3118

2.a) In § 100e Abs. 6 Nr. 2 ist dann noch eine Verwendungsregelung für die Verwendung gewonnener Erkenntnisse zur Gefahrenabwehr enthalten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 1002 Rn 26 m.w.N.). Die Verwendung aus präventiv polizeilichen Maßnahmen gewonnenen Informationen regelt § 100e Abs. 5 Nr. 3 (dazu Meyer-Goßner/Schmitt, § 100e Rn 25 m.w.N.; Knierim StV 2009, 206, 211; zur Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerregelung BVerfG StraFo 2012, 27 sowie BGHSt 54, 69 zur bejahten Zulässigkeit der Verwertung von Erkenntnissen aus einer polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung). Sie ist nur dann zulässig, wenn eine Maßnahme auch nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 zulässig gewesen wäre und wenn die Informationen zur Aufklärung einer Katalogtat nach § 100c (dazu Teil M Rdn 3066 ff.) benötigt werden (vgl. BGH; a.a.O.). Die Informationen müssen zudem "verwertbar" sein, d.h. es darf kein BVV bestehen (zum Begriff "verwertbare Daten" s. BVerfG, a.a.O., und BGHSt, a.a.O. [Begriff bezieht sich auf die gesetzlichen BVV in § 100c Abs. 5 und 6 a.F. sowie auf das BVV aus § 100c Abs. 4 a.F.). Der BGH hat demgegenüber auch Erkenntnisse von Abhörmaßnahmen, die aufgrund landesrechtlicher Regelungen zu präventivpolizeilichen Zwecken gewonnen wurden, im Strafverfahren ohne Weiteres für verwertbar gehalten (BGH NJW 1996, 405; StraFo 2005, 507, zur Kritik an dieser Rspr., die die Grenzen zwischen repressiver und präventiver Polizeiarbeit verwische, s. Bockemühl JA 1996, 695; Schmitt StV 1996, 185; Welp NStZ 1995, 601, jeweils in den Anm. zu BGH NJW 1996, 405, sowie Bernsmann/Jansen StV 1998, 231).

 

Rdn 3119

b) Eine Verwendungsregelung für personenbezogene Informationen/Erkenntnisse, die ggf. aus einem Einsatz technischer Mittel in Wohnungen (§ 100c [s. Teil M Rdn 3114]) gewonnen wurden, enthält die StPO zudem in § 161 Abs. 3. Danach dürfen Erkenntnisse aus einem präventivpolizeilichen Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung bei nicht offenen Ermittlungen, die in oder aus Wohnungen erlangt wurden (z.B. Abhörmaßnahme zum Schutz eines VE bei dessen Einsatz in Wohnungen), nur dann zu Beweiszwecken in Strafverfahren verwendet werden, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet ist und das zuständige AG die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme festgestellt hat. Die Feststellung muss grds. vor der Verwendung erfolgen, bei Gefahr im Verzug muss sie unverzüglich nachgeholt werden (s. § 161 Abs. 3 Hs. 2; vgl. zu einem BVV in diesem Fall auch LG Stuttgart StV 2005, 599).

 

☆ Weitere Einschränkungen enthält die Vorschrift nicht. Sie begrenzt die Verwertbarkeit insbesondere nicht auf Katalogtaten , wie z.B. § 100e Abs. 6 Nr. 3 (krit. Hilger NStZ 2999, 564; Meyer-­Goßner/Schmitt , § 161 Rn 19).nicht auf Katalogtaten, wie z.B. § 100e Abs. 6 Nr. 3 (krit. Hilger NStZ 2999, 564; Meyer-­Goßner/Schmitt, § 161 Rn 19).

Dient das Abhören in diesen Fällen gleichzeitig der strafprozessualen Aufklärung, präventivpolizeilichen Ermittlungen und der Eigensicherung, so sind die gewonnenen Erkenntnisse im sog. "Einsatzstrafverfahren" unter den Voraussetzungen des § 100c ohne Einschränkung verwertbar (Hilger NStZ 2000, 564 Fn ...

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