Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Vergütungsfestsetzungsantrag. Einrede der Verjährung. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei materiell-rechtlichen Fristen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einrede der Verjährung kann auch gegen einen Antrag auf Vergütungsfestsetzung des beigeordneten Prozessbevollmächtigten erhoben werden.

 

Orientierungssatz

Die Vorschrift des § 67 SGG (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) greift nicht bei materiell-rechtlichen Fristen ein, zu der die zur Disposition der Beteiligten stehende Verjährungseinrede mit den danach anzuwendenden Verjährungsfristen gehören.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 30. März 2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) für ein von dem Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigtem beim Sozialgericht H. geführtes Klageverfahren (S 18 [24] R 844/09) die Einrede der Verjährung entgegensteht.

Dem Beschwerdeführer wurde vom Sozialgericht mit Beschluss vom 25. November 2009 Prozesskostenhilfe für das vorgenannte Klageverfahren, in dem die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) umstritten war, bewilligt. Der Rechtsstreit endete am 8. November 2012 im Termin zur mündlichen Verhandlung durch gerichtlichen Vergleich.

Am 17. Juli 2017 wandte sich der Beschwerdeführer an das Sozialgericht und bat unter Hinweis auf den in Fotokopie beigefügten Kostenfestsetzungsantrag mit dem Datum vom 10. Januar 2013 um Mitteilung des Sachstandes. In dem beigefügten Schriftsatz wird beantragt, die im Einzelnen aufgeführten Gebühren unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss vom 25. November 2009 mit insgesamt 780,46 € festzusetzen. Der - seinerzeit zuständige - Bezirksrevisor erhob im Rahmen der vom Sozialgericht angeforderten Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag am 15. Januar 2018 die Einrede der Verjährung gemäß § 8 RVG, §§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Anspruch auf Vergütung verjähre innerhalb von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch fällig, also entstanden sei. Der Rechtsstreit, für den die Vergütung geltend gemacht werde, sei mit der Annahme des Vergleichsvorschlages am 8. November 2012 beendet und der Vergütungsanspruch damit am 31. Dezember 2015 verjährt gewesen. Für den Beschwerdeführer habe die Pflicht bestanden, sich entsprechend frühzeitig zu informieren, ob der Antrag bei Gericht eingegangen sei. Eine Nachfrage fast zwei Jahre nach Eintritt der Verjährung, wann mit der Vergütung zu rechnen sei, könne nicht zu Lasten der Landeskasse eingewendet werden. Die Einrede der Verjährung werde - unter bereits erteilter Zustimmung des Präsidenten des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt - gegenüber dem Beschwerdeführer erklärt.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wies mit Beschluss vom 2. Mai 2018 den Festsetzungsantrag vom 10. Januar 2013 zurück. Der mit Eingang vom 17. Juli 2017 geltend gemachte Vergütungsanspruch sei verjährt. Dass der Verjährungseintritt auch in Fällen der Vergütungsfestsetzung gemäß § 55 RVG anwendbar sei, habe u.a. das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 17. Januar 2008 (Az. II-8 WF 301/07, juris) entschieden.

Die vom Beschwerdeführer am 18. Mai 2018 beim Sozialgericht H. gegen den ihm am 7. Mai 2018 zugestellten Beschluss eingelegte und nicht begründete Erinnerung wies das Sozialgericht H. mit Beschluss vom 30. März 2021 unter Hinweis auf die Darlegungen im angefochtenen Beschluss zurück. Es sei insbesondere nicht glaubhaft gemacht worden, dass ein Vergütungsantrag vor dem 17. Juli 2017 bzw. vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2015 gestellt worden sei.

Gegen diesen ihm am 1. April 2021 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 15. April 2021 - eine zunächst nicht mit einer Begründung versehene - Beschwerde beim Sozialgericht H. eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat er sodann am 8. Juni 2021 vorgetragen, er habe die Kostenfestsetzung rechtzeitig beantragt. Diese sei ganz offensichtlich nicht zur Gerichtsakte gelangt. Er habe den Kostenfestsetzungsantrag vom 10. Januar 2013 persönlich in den hierfür vorgesehenen Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Er hat hierzu eine unter dem 8. Juni 2021 unterzeichnete anwaltliche Versicherung vorgelegt, wonach die Post aus dem Postausgangsfach wochentags ausnahmslos jeden Abend zu Büroschluss in einen Umschlag verpackt und sodann durch ihn oder, sofern er ortsabwesend sein sollte, durch seine Mitarbeiterin in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums H. eingeworfen werde. Vorliegend habe - ausweis...

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