Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts. keine Rückforderung bei Zahlung der Staatskasse auf einen verjährten Vergütungsanspruch

 

Orientierungssatz

Der Rückforderung von Vergütung, die von der Staatskasse an einen im Rahmen von Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt in Unkenntnis der Verjährung des Anspruchs ausgezahlt wurde, steht die Vorschrift des § 214 Abs 2 BGB entgegen (so auch LSG München vom 23.5.2018 - L 12 SF 25/17 E = AGS 2018, 351).

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Meiningen vom 5. April 2017 (S 9 SF 15/17 E) wird zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung für ein Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht (L 3 U 565/06) streitig.

Die Klägerin erhob am 23. August 2004 Klage (S 1 U 1326/04) vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) und begehrte unter Aufhebung der entgegen stehenden Bescheide die Weiterzahlung der Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. über den 31. Mai 2002 hinaus. Mit Urteil vom 27. April 2006 hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2010 bewilligte der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) ab Antragstellung unter Beiordnung des Beschwerdegegners. Die Beteiligten schlossen zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich. Die Beklagte erklärte sich bereit, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu übernehmen.

Mit Kostenrechnung vom 15. Januar 2015 (Eingang am 19. Januar 2015 beim Justizzentrum in Erfurt) beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Kosten für das Verfahren:

 Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG

 372,00 €

 Terminsgebühr Nr. 3205 VV RVG

 240,00 €

 Einigungsgebühr Nr. 1007 VV RVG

 250,00 €

 Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG (211 Kopien)

 49,15 €

 Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG

 52,20 €

 Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG

 35,00 €

 Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 €

 Zwischensumme

 1.018,35 €

 Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 193,49 €

Gesamtbetrag

1.211,84 €

Mit „Kostenfestsetzungsbeschluss“ vom 21. Mai 2015 veranlasste die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die Auszahlung der beantragten Vergütung. Mit Kostennachricht vom 21. Mai 2015 forderte das SG die Beklagte auf, 605,92 € an die Staatskasse zu überweisen. Dise erhob die Einrede der Verjährung.

Mit Verfügung vom 18. Januar 2016 teilte die UdG dem Beschwerdegegner mit, dem PKH- Erstattungsantrag sei unrichtigerweise entsprochen worden. Es sei Verjährung eingetreten. Er möge mitteilen, ob er bereit sei, den fälschlich gezahlten Betrag ohne förmlichen Aufhebungsbeschluss zurückzuzahlen. Dieser weigerte sich und führte aus, nach § 214 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bleibe die verjährte Forderung erfüllbar. Ebenso könne das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden sei. Soweit - wie hier -Sondervorschriften fehlten, begründe die Verjährung im öffentlichen Recht nur eine Einrede. Mit Beschluss vom 4. Februar 2016 hob die UdG ihren Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 22. Mai 2015 auf.

Hiergegen erhob der Beschwerdegegner am 24. Februar 2016 Erinnerung (S 9 SF 39/16 E). Der Beschwerdeführer beantragte am 29. November 2016, die Erinnerung zurückzuweisen. § 214 Abs. 2 BGB sei auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf eine zu viel gezahlte Vergütung des Sachverständigen weder direkt noch entsprechend anwendbar. Entsprechendes gelte für die Vergütung des PKH-Anwaltes nach §§ 45 ff. des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Zudem sei die UdG zur Änderung der Vergütungsfestsetzung vom 22. Mai 2015 nach § 197 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 59 RVG nicht zuständig gewesen sei. Er lege gegen die antragsgemäße Zahlung der Vergütung des Beschwerdegegners vom 22. Mai 2015 über 1.211,84 € Erinnerung nach § 56 RVG ein und beantrage, die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Beschwerdegegners auf 0,00 € festzusetzen. Er erhebe die Einrede der Verjährung. Der Vergütungsanspruch sei am 10. Juni 2010 fällig geworden. Die 3-jährige Verjährungsfrist habe mithin am 31. Dezember 2010 begonnen und am 31. Dezember 2013 geendet. Der Staatskasse stehe mithin ein Leistungsverweigerungsrecht zu, dass auch im Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG geltend gemacht werden könne.

Das SG hat mit Beschlüssen vom 5. April 2017 auf die Erinnerung des Beschwerdegegners den „Abänderungsbeschluss“ vom 4. Februar 2016 aufgehoben (S 9 SF 39/16 E) und die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen die Kostenfestsetzung vom 22. Mai 2015 zurückgewiesen. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei nicht mehr möglich, da der Schuldner (= Staatskasse) den verjährten Ans...

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