Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Beschluss. Unterschreitung des Beschwerdewertes in der Hauptsache. keine entsprechende Anwendung von § 172 Abs 3 Nr 1 SGG oder §§ 127 Abs 2 S 2, 511 ZPO iVm § 73a Abs 1 S 1 SGG. Vorverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist auch dann zulässig, wenn im Hauptsacheverfahren kein Rechtsmittel möglich ist.

2. Eine analoge Anwendung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG oder der §§ 127 Abs 2 S 2, 511 ZPO in Verbindung mit § 73a Abs 1 S 1 SGG kommt insoweit nicht in Betracht.

 

Orientierungssatz

Die Durchführung des Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 SGG) ist eine grundsätzlich unverzichtbare Sachurteilsvoraussetzung. Allerdings muss das Gericht die Möglichkeit einräumen, das Vorverfahren nachzuholen und hat in entsprechender Anwendung des § 114 Abs 2 SGG das Verfahren bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen.

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 12.05.2009 - S 13 AY 5/09 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die frist- und formgerecht eingelegte (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG). Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 2 und 3 SGG liegen nicht vor. Die Beschwerde ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in der Hauptsache - die Kläger begehrten die Übernahme von rückständigen Stromkosten in Höhe von 645,07 € - die Berufung gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unstatthaft gewesen wäre.

Die Regelungen der §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 511 der Zivilprozessordnung (ZPO) können nicht über § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG entsprechend angewendet werden. Zwar mag es rechtspolitisch unbefriedigend sein, in der vorliegenden Fallgestaltung die Beschwerdemöglichkeit zu eröffnen, obwohl eine Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG gem. § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht zulässig ist und eine Beschwerde gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies ist jedoch in Anbetracht der gesetzlichen Regelung hinzunehmen. Bereits vor der Änderung des SGG zum 01.04.2008 durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) war nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum von der Zulässigkeit der Beschwerde in sollen Fällen ausgegangen worden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 172 Rdnr. 4). Mit der Neufassung des § 172 SGG zum 01.04.2008 sollte ein Ausschluss der Beschwerde bei den ausdrücklich genannten wirtschaftlich nicht relevanten Kostengrundentscheidungen und sonstigen Nebenentscheidungen sowie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und der Prozesskostenhilfe greifen (vgl. BT-Drucks. 16/7716 zu Nr. 29 [§ 172] Buchst. b). Angesichts dieser eindeutigen und abschließenden Regelung bleibt für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum. Eine analoge Anwendung des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit ≪iVm≫ § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG kommt deshalb nicht in Betracht (ebenso Landessozialgericht [LSG] Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.06.2008 - L 5 ER 91/08 AS - und - L 5 B 107/08 AS -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.02.2009 - L 13 AS 3835/08 PKH-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.06.2008 - L 9 B 117/08 AS -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.08.2007 - L 5 B 573/07 AS PKH -; a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.06.2009 - L 33 R 130/09 B PKH -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.12.2008 - L 8 AS 4968/08 PKH-B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.10.2008 - L 3 B 312/08 AS -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.07.2008 - L 12 B 18/07 AL - mwN, alle veröffentlicht in Juris).

II.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Der Rechtsverfolgung kam keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zu.

Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. So kann Prozesskostenhilfe durchaus verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Vorliegend konnten die Kläger letztlich nicht dasjenige erreichen, was sie mit dem Prozess in der Hauptsache anstrebten. Die Gewährung von PKH soll es einem Bedürftigen nämlich nicht ermöglichen, Verfahren durchzuführen, welche im Ergebnis nicht zu seinen Gunst...

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