Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Regelaltersrente. Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Schwierigkeiten bei der Unternehmensabgabe können die vom Gesetz vorbehaltlos verlangte Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft gem § 11 Abs 1 Nr 3 ALG weder erfüllen noch ersetzen (vgl BSG vom 25.2.2010 - B 10 LW 1/09 R = SozR 4-5868 § 13 Nr 5).

2. Der Senat hält entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung (vgl LSG Essen vom 12.9.2007 - L 8 LW 2/07, vom 8.8.2007 - L 8 LW 5/07, vom 8.3.2006 - L 8 LW 12/05 und vom 4.6.2003 - L 8 LW 2/03) das Erfordernis der Unternehmensabgabe als Voraussetzung des Anspruchs auf Regelaltersrente nicht für verfassungswidrig (Art. 100 Abs. 1 GG).

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.11.2018; Aktenzeichen 1 BvR 486/13)

BSG (Beschluss vom 29.08.2012; Aktenzeichen B 10 LW 5/12 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.2.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR).

Die 1940 geborene Klägerin betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen. Sie ist seit dem 1.12.1972 Pflichtmitglied bei der Beklagten. Die Klägerin ist Eigentümerin land- bzw. forstwirtschaftlich genutzter Flächen mit einer Gesamtgröße von etwa 60 ha. Ausweislich des Unternehmenskatasters nutzt sie 18,97 ha Forst, 18,14 ha Grünland und 3,92 ha Brachland selbst. Die restlichen Flächen sind nach eigenen Angaben an verschiedene Pächter auf die Dauer von jeweils ein bis zwei Jahren verpachtet.

Am 26.4.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten RAR. Im Formantrag vom 30.5.2010 teilte sie mit, sie werde den Hof nicht verpachten oder verkaufen. Sie bitte um sofortigen Bescheid. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin ihr landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid v. 9.6.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 21.7.2010).

Die Klägerin hat am 18.8.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und vorgetragen, das Erfordernis der Unternehmensabgabe sei verfassungswidrig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9.6.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.7.2010 zu verurteilen, ihr ab April 2010 Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.

Das SG hat die Klage abgewiesen und der Klägerin Verschuldenskosten in Höhe von 150 Euro auferlegt (Urteil v. 25.2.2011). Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 2.3.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.3.2011 Berufung eingelegt. Sie hält das Erfordernis der Unternehmensabgabe für verfassungswidrig. Das damit verfolgte Ziel strukturpolitischer Veränderungen lasse sich angesichts der hohen Zahl von Nebenerwerbslandwirten und sog. "Scheinabgaben" nicht mehr erreichen. Die Verpflichtung zur Hofabgabe beeinträchtige sie unangemessen in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn der Landwirt gezwungen werde, Pflichtmitglied der Alterskasse zu werden, die Alterssicherung dann jedoch nur als eine Teilsicherung ausgestaltet sei. Ergänzend überreicht sie eine Stellungnahme des "Arbeitskreises für die Abschaffung der Hofabgabeklausel" zum Referentenentwurf des Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-NOG). Schließlich wendet sich die Klägerin gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.2.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9.6.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.7.2010 zu verurteilen, ihr ab April 2010 Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für richtig und weist darauf hin, dass die Verfassungsmäßigkeit des Abgabeerfordernisses in der Rechtsprechung hinreichend geklärt sei.

Der Senat hat mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Diskussion über Änderungen an der Hofabgabeklausel (BT-Drs. 17/5691), die Tabelle 3 "Einnahmen und Ausgaben in der Alterssicherung der Landwirte von 2004 bis 2008" im Lagebericht der Bundesregierung über die Alterssicherung der Landwirte 2009 (BT-Drs. 17/55), die Daten des Statistischen Bundesamtes zur Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nach Größenklassen der landwirtschaftlichen Flächen von 1949 bis 2007 sowie die Informationen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zum Referentenentwurf zum LSV-NOG (Stand Oktober 2011) erörtert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach-...

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