Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabefiktion nach § 21 Abs. 9 ALG bei Rentenanspruch des Landwirtsehegatten

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch eines Landwirtsehegatten auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 13 Abs. 1 ALG ergibt sich aus dessen Versicherungspflicht als Ehegatte eines Landwirts. Voraussetzung ist u. a.die Hofabgabe. Erreicht der Landwirt selbst das vollendete 65. Lebensjahr, so entfällt mit diesem Zeitpunkt das Privileg der vereinfachten Hofabgabe an den Ehepartner. Ab diesem Zeitpunkt steht dem Ehegatten eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht mehr zu, weil die Abgabefiktion entfallen ist.

2. Die Versicherung des Ehegatten als Fiktivlandwirt führt dazu, dass diesen die rechtlichen Folgen in der Altersicherung der Landwirte genauso treffen, wie den Landwirt selbst. Mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres entfällt die als Ausnahme konzipierte Fiktion der Hofabgabe, weil auch die mit § 21 Abs. 9 ALG verbundene Schutzfunktion entfallen ist. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres besteht bei Abgabe ein eigener Anspruch auf Altersrente, mit dem die nach dem Konzept der Alterssicherung der Landwirte erstrebte Teilsicherung erreicht werden kann.

3. Das Abgabeerfordernis für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ist verfassungsgemäß.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 01.02.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Juli 2005.

Die am 00.00.1941 geborene Klägerin ist die Ehefrau des am 19.06.1940 geborenen Landwirts X T. Im Verfahren des Sozialgerichts Detmold (Az.: S 7 (9) LW 6/00) wurde die Beklagte mit Urteil vom 26.02.2004 verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ausgehend von einem Leistungsfall am 28.12.1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. In Ausführung des Urteils bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.04.2004 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 01.03.2005 und 16.03.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass sie beabsichtige, die Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.07.2005 aufzuheben, sollte der landwirtschaftliche Betrieb nicht nach den Formvorschriften des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) an Dritte abgegeben oder stillgelegt werden, da der Ehemann der Klägerin am 19.06.2005 das 65. Lebensjahr erreichen werde. Die Abgabefiktion gem. § 21 Abs. 9 ALG gelte nur solange, bis der Ehegatte sein 65. Lebensjahr vollendet habe oder erwerbsgemindert nach den Vorschriften des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sei. Hierauf teilte die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom 09.05.2005 mit, die von der Beklagten geäußerte Rechtsauffassung werde nicht geteilt. Die Erwerbsunfähigkeitsrente sei ihr durch das Gericht unabhängig von der Führung des landwirtschaftlichen Betriebs durch den Ehemann rechtskräftig zugesprochen worden. Dieser Anspruch entfalle nicht allein deshalb, weil der Ehemann das 65. Lebensjahr erreicht habe, ohne den landwirtschaftlichen Betrieb abzugeben. Ob der Ehemann den Betrieb abgeben wolle, müsse bei diesem erfragt werden. Insoweit bestehe kein Mandat. Auf telefonische Nachfrage durch die Beklagte bei dem Ehemann der Klägerin teilte dieser am 23.05.2005 mit, der Betrieb solle langfristig abgegeben werden, aber nicht rechtzeitig zum Erreichen seines 65. Lebensjahres.

Mit Bescheid vom 30.05.2005 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 06.04.2004 mit Wirkung ab dem 01.07.2005 auf. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Es sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, indem der Ehemann der Klägerin das 65. Lebensjahr am 19.06.2005 vollendet habe. Damit entfalle die Abgabefiktion des § 21 Abs. 9 ALG, weshalb die Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 01.07.2005 nicht mehr geleistet werden könne.

Dagegen erhob die Klägerin am 10.06.2005 Widerspruch. Sie machte geltend, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei ihr bereits vom Sozialgericht zugesprochen worden. In dem Urteil sei das Merkmal der Abgabe im Sinne der Vorschriften des ALG als entbehrlich erachtet worden, so dass daher die Vorschrift des § 21 Abs. 9 ALG auch nicht ihren Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit wieder entfallen lassen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen des Klageverfahrens sei seinerzeit festgestellt worden, dass bei der Klägerin volle Erwerbsminderung unabhängig von der Arbeitsmarktlage vorliege. Die im § 21 Abs. 9 ALG vorgesehene Abgabefiktion habe für die Klägerin bei Bewilligung der Rente gegolten, da sie als Landwirtin gem. § 1 Abs. 3 ALG voll erwerbsgemindert unabhängig von der Arbeitsmarktlage gewesen sei und ihr Ehemann das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe. Das habe sich mit der Vol...

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