Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens als Voraussetzung der Gewährung von Regelaltersrente

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Regelaltersrente aus der Alterssicherung der Landwirte setzt u. a. voraus, dass das landwirtschaftliche Unternehmen abgegeben ist. Es gilt auch dann als abgegeben, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 % der von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgelegten Mindestgröße nicht überschreitet.

2. Schwierigkeiten bei der Unternehmensabgabe können die vom Gesetz vorbehaltlos verlangte Abgabe weder erfüllen noch ersetzen.

3. Die Gewährung einer Altersrente von der vorherigen Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens abhängig zu machen, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Mit dem endgültigen Verlust der Unternehmereigenschaft soll sichergestellt werden, dass der Übernehmer die landwirtschaftliche Fläche sinnvoll weiter bewirtschaften kann.

4. Die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion und die Verbesserung der Agrarstruktur zählen zu den legitimen Staatsaufgaben. Durch die gesetzliche Regelung ist es agrarstrukturpolitisch gelungen, einer unerwünschten Zersplitterung der Bodenbewirtschaftung entgegenzuwirken.

5. Das Erfordernis der Unternehmensabgabe verletzt den betroffenen Landwirt nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG. Das Abgabeerfordernis greift nicht in die Verfügungsbefugnis über das Eigentum ein. Es bleibt dem Landwirt überlassen, ob er, um einen Anspruch auf Regelaltersrente zu erwerben, sein Land nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften abgeben will.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.11.2018; Aktenzeichen 1 BvR 437/13)

BSG (Beschluss vom 29.08.2012; Aktenzeichen B 10 LW 7/12 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 14.04.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR) für den Zeitraum vom 1.7. bis 30.9.2009.

Der am 00.00.1944 geborene, ledige und kinderlose Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen. Er ist seit dem 1.1.1966 Pflichtmitglied bei der Beklagten. Der Kläger bewirtschaftete im Streitzeitraum 26,3617 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in Gestalt von Ackerflächen, die er mit Wirkung ab dem 1.10.2009 verpachtete.

Am 3.9.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten RAR. Die Beklagte lehnte den Antrag für den Streitzeitraum ab, weil der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid v. 9.9.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 29.10.2009). Nach erfolgter wirksamer Abgabe bewilligte die Beklagte dem Kläger RAR mit Wirkung ab dem 1.10.2009 (Bescheid v. 13.10.2009).

Der Kläger hat am 27.11.2009 zum Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben und vorgetragen, das Erfordernis der Unternehmensabgabe sei verfassungswidrig.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 9.9.2009 und 13.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009 zu verurteilen, ihm eine Regelaltersrente vom 1.7. bis 30.9.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid v. 14.4.2011 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Nach Zustellung des Gerichtsbescheids am 19.4.2011 hat der Kläger beim SG am 19.5.2011 die Zulassung der Sprungrevision beantragt, die mit Beschluss des SG vom 28.7.2011 versagt worden ist. Nach der Zustellung dieses Beschlusses an den Kläger am 5.8.2011 hat dieser am 9.8.2011 Berufung eingelegt. In seiner Familie habe kein Hofnachfolger zur Verfügung gestanden. Er hält das Erfordernis der Unternehmensabgabe für verfassungswidrig. Das damit verfolgte Ziel strukturpolitischer Veränderungen lasse sich angesichts der hohen Zahl von Nebenerwerbslandwirten und sog. "Scheinabgaben" nicht mehr erreichen. Die Verpflichtung zur Hofabgabe beeinträchtige ihn unangemessen in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn der Landwirt gezwungen werde, Pflichtmitglied der Alterskasse zu werden, die Alterssicherung dann jedoch nur als eine Teilsicherung ausgestaltet sei. Ergänzend überreicht er die Ausarbeitung "Fragen zur Hofabgabeklausel im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte" des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages sowie eine Stellungnahme des Arbeitskreises für die Abschaffung der Hofabgabeklausel, dessen Vorsitzender er ist, vom 10.10.2011 zum Referentenentwurf des LSV-NOG. Wegen weiterer Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf seine in der mündlichen Verhandlung vorgetragene und in Schriftform überreichte Stellungnahme Bezug...

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