Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten. Einkommensberücksichtigung. Einkommen aus einer praktischen Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung. Absetzung von Ausbildungskosten

 

Orientierungssatz

1. Die Ausbildung zur Vorbereitung auf die staatliche Prüfung zum Psychologischen Psychotherapeuten stellt eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung dar, die keinen Ausschluss von SGB 2-Leistungen nach § 7 Abs 5 SGB 2 begründet (vgl LSG Stuttgart vom 27.2.2014 - L 12 AS 4836/12 = juris RdNr 23).

2. Weiterbildungs- und Fortbildungskosten können notwendige Ausgaben im Sinne des § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2 sein, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung mit der Erzielung des Einkommens in der Weise verbunden sind, das zwischen der Fortbildungsmaßnahme und der ausgeübten Erwerbstätigkeit ein objektiver Zusammenhang besteht und die Kosten für die Fortbildungsmaßnahme sich bei vernünftiger Wirtschaftsführung dem Grunde und der Höhe nach als notwendig erweisen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.03.2023; Aktenzeichen B 4 AS 2/23 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.04.2021 geändert und der Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 19.08.2020, 28.09.2020, 21.11.2020, 14.12.2020, 30.12.2020, 26.01.2021, 17.03.2021, 04.06.2021, 23.02.2022 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.11.2020 und 14.12.2020 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 30.04.2021 um 450,00 Euro monatlich höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum 01.09.2020 bis 30.04.2021. Diesbezüglich ist zwischen den Beteiligten nur noch streitig, ob vom Kläger zu zahlende Ausbildungskosten als mit der Einkommenserzielung verbundene notwendige Ausgaben zu berücksichtigen sind.

Der am 00.00.1981 geborene, erwerbsfähige Kläger studierte bis Juli 2016 Psychologie an der Universität N und schloss dieses Studium mit dem Master of Science ab. Er bezieht seitdem von dem Beklagten laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Der Kläger lebte bis zum 30.09.2020 unter der Adresse "W-Straße 46" in L. Für diese Wohnung waren von ihm Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 730,00 Euro zu zahlen. Seit dem 01.10.2020 bewohnt der Kläger eine Wohnung in der "U-Straße 340" in L, für die im streitigen Zeitraum Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 722,00 Euro monatlich sowie im Februar 2021 eine Betriebs- und Heizkostennachzahlung in Höhe von 138,47 Euro zu zahlen waren.

Seit dem 01.09.2020 befindet sich der Kläger aufgrund eines am 28.07.2020 unterzeichneten Ausbildungsvertrages in einer dreijährigen Ausbildung zur Vorbereitung auf die staatliche Prüfung zum Psychologischen Psychotherapeuten - Vertiefung Verhaltenstherapie - vor dem Landesprüfungsamt für Medizin, Psychotherapie und Pharmazie. Ausbildungsstätte ist das LVR-Klinikum E. Ausbildungsinhalt ist die theoretische und praktische Ausbildung von Diplom-/Master-Psychologinnen und Psychologen mit dem Ziel der Befähigung zur selbständigen und eigenverantwortlichen Durchführung von Heilbehandlungen von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen sowie von psychischen Folgeerscheinungen körperlicher Erkrankungen mit den Mitteln der Verhaltenstherapie. Hierzu wird neben der theoretischen Ausbildung (600 Unterrichtseinheiten) unter anderem eine praktische Tätigkeit (mind. 1800 Stunden) gefordert, die im ersten Ausbildungsjahr durchschnittlich 26 Stunden wöchentlich umfasst und nach dem Ausbildungsvertrag ausschließlich dem Ziel dient, praktische Erfahrungen in der Behandlung von Störungen mit Krankheitswert im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) sowie Kenntnisse anderer Störungen, bei denen Psychotherapie indiziert ist, zu erwerben. Die Tätigkeit steht unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht. Die Ausbildungskosten für die theoretische Ausbildung, praktische Ausbildung, Selbsterfahrung und praktische Tätigkeit inklusive Supervision betragen insgesamt 16.200,00 Euro. Die Kosten sind in monatlichen Raten von 450,00 Euro jeweils am 1. eines Monates, beginnend ab dem 01.09.2020, zu entrichten. Der Kläger hat diesbezüglich einen Dauerauftrag zum Monatsersten eingerichtet. Nach den Bestimmungen des Ausbildungsvertrages zu den Zahlungsmodalitäten (3.1.1) kann die Ausbildungsstätte die Zahlung des gesamten noch offenen Betrages auf einmal verlangen, wenn eine Rate bis zum 3. Werktag nach Fälligkeit nicht eingeht oder der Kläger in einem Zeitraum, der sich...

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