Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren, Vergütungsfestsetzung für den Prozesskostenhilfeanwalt, Unstatthaftigkeit der Beschwerde gegen Erinnerungsentscheidung des Sozialgerichts in Vergütungsfestsetzungsverfahren, Vorrang des § 178 SGG gegenüber den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG

 

Orientierungssatz

1.In Festsetzungssachen hinsichtlich der dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung ist eine Beschwerdemöglichkeit gegen die Erinnerungsentscheidung des SG von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 178 Satz 1 SGG). Diese Norm bestimmt, dass auf Erinnerung ergangene Beschlüsse des SG endgültig sind.

2.Die Vorschriften der §§ 56 Abs. 2 S. 2, 33 Abs. 3 RVG sind im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar. Der Senat gibt seine bisherige, allerdings noch für den zeitlichen Anwendungsbereich der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung formulierte, gegenteilige Auffassung auf und schließt sich der - soweit ersichtlich - unter der Geltung des RVG nunmehr einhelligen Auffassung der Senate des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg an (vgl nur LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2009 - L 15 SF 9/09 B).

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt (im Folgenden Beschwerdeführer) begehrt die Heraufsetzung seiner Vergütung, die ihm im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) als dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens (Sozialgericht ≪SG≫ Berlin S 66 As 2923/10 ER) beigeordneten Prozessbevollmächtigten von dem Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse (im Folgenden Beschwerdegegner) zu zahlen ist.

Das SG Berlin hat mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss, der die Belehrung enthielt, gemäß § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Beschwerde hiergegen nicht statthaft, die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den nach § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erlassenen Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24. Juni 2010 zurückgewiesen, mit dem es abgelehnt worden war, eine weitere Vergütung von 238,00 EUR festzusetzen.

Der Beschwerdeführer hält die Beschwerde wegen der Regelungen in §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 RVG für statthaft; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf seinen Schriftsatz vom 29. Juli 2010 Bezug genommen.

Demgegenüber verneint der Beschwerdegegner die Statthaftigkeit der Beschwerde unter Hinweis auf zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen, ua des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg.

II.

Die Beschwerde ist unstatthaft; sie war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 202 SGG iVm § 572 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). Denn in Festsetzungssachen hinsichtlich der dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung ist eine Beschwerdemöglichkeit gegen die Erinnerungsentscheidung des SG von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 178 Satz 1 SGG). Diese Norm bestimmt, dass auf Erinnerung ergangene Beschlüsse des SG endgültig sind.

Der Beschwerdeausschluss gilt trotz der Regelungen in §§ 56 Abs 2 Satz 1, 33 Abs 3 RVG. Zwar können danach Beschlüsse, die auf Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungen der Urkundsbeamten ergangen sind, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung mit der Beschwerde angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, das Rechtsmittel wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Die genannten Vorschriften sind im sozialgerichtlichen Verfahren jedoch nicht anwendbar. Der Senat gibt seine bisherige, allerdings noch für den zeitlichen Anwendungsbereich der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung formulierte gegenteilige Auffassung auf (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2005 - L 6 B 31/03 AL, juris RdNr 10) und schließt sich der - soweit ersichtlich - unter der Geltung des RVG nunmehr einhelligen Auffassung der Senate des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg an (vgl nur LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2009 - L 15 SF 9/09 B, juris RdNr 8ff mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 3aE zu § 178; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, RdNr 19 zu § 178 und Frehse in Jansen, SGG, 3. Aufl 2009, RdNr 8 zu § 178 SGG, jeweils mwN). Die genannten Vorschriften des RVG stellen keine Spezialvorschriften für die Rechtsbehelfe gegen Festsetzungssachen der vorliegenden Art dar, sondern werden durch die speziellere Regelung in § 178 Satz 1 SGG - wie die gesetzessystematische Auslegung unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte zeigt (vgl hierzu umfassend: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2009, aaO, RdNr 10ff) - verdrängt. Ein Rückgriff auf die in Rede stehenden Vorschriften des RVG ist nur in den Verfahrensordnungen denkbar, die die Beschwerdemöglichkeit nicht ihrerseits...

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