Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 14.02.1997; Aktenzeichen 19 C 263/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Februar 1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 19 C 263/96 – geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die rechtzeitige Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Wohnung nach §§ 556 Abs. 1, 985 BGB nicht zu. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. am 2.1.1992 und ergänzend mit der Beklagten zu 2. am 1.2.1993 geschlossene unbefristete Mietvertrag ist nicht durch die von der Klägerin im Schreiben vom 24.1.1996 erklärte Eigenbedarfskündigung zugunsten ihrer Tochter, der Zeugin …, zum 30.4.1996 beendet worden. Eine wirksame Eigenbedarfskündigung nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt nicht vor.

Der Klägerin war es zur Zeit der Kündigung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf den im Kündigungsschreiben angegebenen Wohnbedarf für ihre Tochter zu berufen. Eine Eigenbedarfskündigung ist nach dem aus § 242 BGB abgeleiteten Vertrauensgrundsatz aus solchen Gründen ausgeschlosen, deren Eintritt für den Vermieter bei Abschluß des Mietvertrages bereits vorhersehbar war (LG Hamburg, WM 1993, 677; LG Wuppertal WM 1991, 691, 692; LG Berlin NJW-RR 1993, 661, 662; LG Hamburg, WM 1993, 50). Der Vermieter setzt sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er zumindest erwägt, die Wohnung in absehbarer Zeit selbst oder zugunsten einer Bedarfsperson i.S.v. § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB in Gebrauch zu nehmen. Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet und auch rechnen darf, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufgeklärt hat (BVerfG NJW-RR 1993, 1357 = WM 1994, 132 = ZMR 1993, 305).

Derartige Beschänkungen der durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsposition des Vermieters sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn mit ihnen wird nicht in unzulässiger Weise in die Lebensplanung des Vermieters eingegriffen, sondern dieser lediglich an der Durchsetzung seines Selbstnutzungsrechts aus Gründen gehindert, die er selbst in zurechenbarer Weise gesetzt hat (BVerfG, NJW 1993, 1357; BVerfGE 79, 292, 308 f. – NJW 1989, 970, 972).

Nach diesen Grundsätzen kommt ein Ausschluß des Kündigungsrechts des Vermieters aber nicht nur in Betracht, wenn dieser bei Abschluß des Vertrages zumindest erwägt, für die Wohnung in absehbarer Zeit Eigenbedarf geltend zu machen. Es genügt stattdessen, wenn der Vermieter eine solche Möglichkeit bei vorausschauender Planung hätte in Betracht ziehen müssen (LG Hamburg WM 1993, 677; LG Wuppertal WM 1991, 691). Diese Wertung ist auch unter Berücksichtigung der Vertrauensschutzinteressen des Mieters sachgerecht, denn allein der Vermieter kann eine derartige Bedarfsentwicklung vorhersehen. Ein unzulässiger Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Selbstnutzungswunsch des Vermieters liegt darin nicht (LG Hamburg WM 1993, 677). Durch die Möglichkeit einer befristeten Vermietung nach § 564 c BGB ist er weder gezwungen, die Wohnung unvermietet zu lassen, noch im Falle der Vermietung an der Geltendmachung des zwischenzeitlich eingetretenen Eigenbedarfs gehindert.

Für die Dauer der in § 564 c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vorgesehenen Befristung ist der Vermieter mit einem bereits bei Vertragsschluß absehbaren Wohnbedarf ausgeschlossen (BVerfGE 79, 292, 308 = NJW 1989, 970, 972; LG Hamburg WM 1993, 677). Dies ist hier der Fall; denn bis zur Kündigung der Klägerin waren seit dem Abschluß des Mietvertrages mit den Beklagten noch keine fünf Jahre vergangen.

Die Klägerin hätte bei verständiger Würdigung und umsichtiger Vorausschau zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Beklagten am 2.1.1992 bzw. 1.2.1993 den später in der Kündigung vom 24.1.1996 zum 30.4.1996 geltend gemachten Wohnbedarf ihrer Tochter an der streitgegenständlichen Wohnung in Betracht ziehen müssen.

Bereits mit Rücksicht auf das Alter der Zeugin … zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von Anfang 20 hätte die Klägerin ernsthaft damit rechnen müssen, daß ihre Tochter in absehbarer Zeit aus der elterlichen Wohnung ausziehen werde, um in die streitgegenständliche Wohnung zu ziehen und dort gegebenenfalls mit einem Partner zusammenzuleben. Mit dieser Entwicklung mußte die Klägerin umso mehr unter Berücksichtigung der bisherigen Unterbringung der Tochter rechnen, die in der Beweisaufnahme am 14.2.1997 angegeben hat, bei der Klägerin ein ungefähr 12 qm großes Zimmer zu bewohnen.

Der Einwand der Klägerin, eine konkrete Entwicklung des Lebens ihrer Tochter bei Abschluß des Mietvertrages sei überhaupt nicht absehbar gewesen, ist unerheblich. So kommt es insbesondere darauf, da...

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