Vorgetäuschter Eigenbedarf des Vermieters

Wann sich Mieter auf vorgetäuschten Eigenbedarf berufen können, um eine Räumungsklage abzuwehren, ergibt sich aus mehreren einschlägigen Gerichtsentscheidungen. Näheres verrät dieser Beitrag.

Was vorgetäuschten Eigenbedarf kennzeichnet

Der vorgetäuschte Eigenbedarf ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vermieter die Kündigung des Mieters damit begründet, dass er die Wohnung für sich oder den in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personenkreis benötige, obwohl er weiß, dass dies nicht zutrifft. Manche Vermieter greifen zu diesem Mittel, um sich z. B. eines lästigen Mieters zu entledigen oder eine Mieterhöhung durchzusetzen.

Anspruch des Mieters auf Schadensersatz

Häufig stellt sich erst heraus, dass der Vermieter Eigenbedarf nur vorgegeben hat, nachdem der Mieter freiwillig ausgezogen und eine Neuvermietung erfolgt ist. Dann kommt ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise einer unerlaubten Handlung § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Betrug § 263 StGB und einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung § 826 BGB in Betracht.

Vermieter scheitert mit Räumungsklage

Unter Umständen scheitert der Vermieter bereits mit seiner Räumungsklage, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat.


Beispiel 1: Kündigung nach Streit wegen Mieterhöhung

So geschehen in einem aktuellen Fall, in dem es während eines jahrelangen Rechtsstreits um eine Nebenkostenabrechnung zu einer Auseinandersetzung kam. Der Ehemann der Vermieter bezeichnete die Mieterin und deren Rechtsanwalt während eines Telefonates als „Dilettanten“. Sie würden schon sehen, was sie davon haben und dies im Kürze erfahren. Eine Woche später sprach die Vermieterin die Eigenbedarfskündigung aus und berief sich darauf, dass ihre Tochter nach Abschluss ihres Studiums in die Wohnung einziehen werde.

Das Amtsgericht Görlitz wies die Räumungsklage der Vermieterin ab (Urteil v. 28.02.2023, 9 C 255/22). Das Gericht begründete das damit, dass es ausreichende Indizien dafür gibt, dass der angebliche Grund nur ein Vorwand war.

Äußerungen gegenüber der Mieterin und deren Anwalt

Dies ergebe sich zum einen aus den Äußerungen des Ehemannes der Vermieterin kurz vor der Kündigung, der über den langen und teuren Mietprozess verärgert gewesen sei.

Mehrere Wohnungen waren verfügbar

Außerdem erschien es dem Gericht suspekt, dass in dem Mehrfamilienhaus drei Wohnungen frei waren, in die die Tochter des Vermieters hätte einziehen können. Diese wiesen eine ähnliche Größe und Ausstattung auf wie die Wohnung des Mieters. Dennoch habe der Vermieter diese Wohnungen Dritten angeboten. Aus den vorgelegten Mietangeboten sei nichts ersichtlich, was gegen eine Nutzung durch die Tochter sprechen würde. Alle Wohnungen machten einen schönen und renovierten Eindruck. Der Vermieter hätte darlegen müssen, warum er nicht auf diese Wohnungen zurückgegriffen habe. Dies habe er nicht getan.

Gegen das Urteil des AG Görlitz ist keine Berufung eingelegt worden.


Beispiel 2: Kündigung nach gescheiterter Mieterhöhung

In einem anderen Sachverhalt hatte ein Vermieter ebenfalls eine Mieterhöhung geltend gemacht. Nachdem die Mieter diesem nicht nachgekommen waren, kündigte er ihnen knapp einen Monat später wegen Eigenbedarfs. In dem Kündigungsschreiben gab der Vermieter an, in ein eigenes Haus ziehen zu wollen, da ihm die bisherige Wohnung zu klein sei. Etwa fünf Monate später sprach er erneut eine Eigenbedarfskündigung aus und berief sich auf denselben Grund. Da die Mieter mit beiden Kündigungen nicht einverstanden waren, erhob der Vermieter Räumungsklage.

Damit hatte er jedoch keinen Erfolg. Das LG Limburg entschied, dass die Kündigung unwirksam gewesen ist, weil der Vermieter die Gründe nur vorgeschoben hatte (Urteil v. 05.12.1990, 7 S 153/90).

Dies ergab sich nach Ansicht der Richter daraus, dass der Vermieter wenige Tage vor dem Ausspruch der ersten Kündigung hatte, eine Mieterhöhung durchzusetzen. Dies wäre sinnlos gewesen, wenn wirklich Eigenbedarf bestanden hätte. Von daher sei die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung erfolgt. Dass die zweite Kündigung unwirksam war, folge daraus, dass diese innerhalb eines Jahres nach dem misslungenen Mieterhöhungsbegehren erfolgt sei. Dieser Zeitraum spreche normalerweise dafür, dass der Eigenbedarf vorgeschoben war. Anders sei dies, wenn der Eigenbedarf erst nach dem Zeitpunkt des Mietbegehrens entstanden wäre. Das verneinte jedoch das Gericht.


Beispiel 3: Kündigung nach Schimmelbeseitigungsbegehren

Nachdem ein Mieter seinen Vermieter unter Fristsetzung zur Beseitigung mehrerer Mängel, insbesondere Schimmel, aufgefordert hatte, kündigte dieser 12 Tage später wegen Eigenbedarfs. Der Vermieter berief sich darauf, dass er die im Erdgeschoß befindliche Wohnung des Mieters für seine betagten Eltern benötigen würde. Das ergebe sich daraus, dass diese eine Wohnung bewohnen würden, die nur über 22 Treppenstufen erreichbar sei. Der Vater könne diese aufgrund einer fortgeschrittenen Wirbelsäulenerkrankung nicht mehr bewältigen. Der Mieter war damit nicht einverstanden. Er rügte, dass der Vermieter ihm die Adresse seiner Eltern nicht mitgeteilt habe. Daher könne er nicht überprüfen, ob die Wohnung nur über die Stufen erreichbar sei.

Das AG Hamburg-Wandsbek sah die Eigenbedarfskündigung als wirksam an und gab der Räumungsklage statt (rechtskräftiges Urteil v. 06.01.2016, Az. 711a C 262/14). Das Gericht begründete das damit, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass der Eigenbedarf vorgetäuscht war. Allein bestehende Spannungen zwischen Vermieter und Mieter reichten nicht aus. Maßgeblich sei, dass hier der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich besteht. Das ergebe sich daraus, dass der Vater aufgrund eines ärztlichen Schreibens der Universitätsklink erkrankt gewesen sei und die Wohnung des Mieters barrierefrei eingerichtet werden soll.

Konsequenzen:

Diese Entscheidungen zeigen, dass sich allein aus einem Konflikt mit dem Vermieter nicht zwangsläufig ergibt, dass eine Eigenbedarfskündigung unwirksam ist. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Vermieter Eigenbedarf vorgetäuscht hat.

Praxistipp für Mieter

Mieter sollten darauf achten, ob es nach der Kündigung hinreichende Anhaltspunkte für einen vorgetäuschten Eigenbedarf gibt, wie z.B. Wohnungsanzeigen des Vermieters oder leer stehende Wohnungen in vergleichbarer Lage und Ausstattung. Nach dem Auszug sollten sie darauf achten, welcher Name auf dem Klingelschild steht. Stammt dieser nicht von der Person, die im Kündigungsschreiben angegeben ist, kommt eventuell ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter in Betracht.

Praxistipp für Vermieter

Vermietern ist davon abzuraten, Eigenbedarf vorzutäuschen. Denn sie müssen damit rechnen, dass ein zunächst gutgläubiger Mieter spätestens nach dem Auszug dahinterkommt und sie auf Schadenersatz verklagt. Außerdem riskiert der Vermieter eine Anzeige wegen Betrugs.


Weiter Beiträge:

Streit über die Grillhäufigkeit

Detektivkosten zur Prüfung des Eigenbedarfs sind erstattungsfähig

Schlagworte zum Thema:  Mietrecht, Kündigung, Eigentumswohnung, Immobilien