Ebenso können sich Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches aus einem früher vorgetäuschten Eigenbedarf ergeben.[1]

 
Praxis-Beispiel

Vorgetäuschte Eigenbedarfsgründe

Wird der behauptete Selbstnutzungswunsch nach der Räumung nicht realisiert, liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben worden ist.[2] Gleiches gilt, wenn die Bedarfsperson die Wohnung nicht in einem angemessenen Zeitraum nach der Kündigung bezieht.

Allerdings steht der Umstand, dass der Vermieter die Wohnung nach dem Auszug des wegen Eigenbedarfs gekündigten Mieters zunächst saniert hat, um sie nach seinen Vorstellungen zu gestalten, einem Eigenbedarf nicht entgegen, auch wenn sich die Sanierung, z. B. aufgrund begrenzter finanzieller Mittel oder wegen der Vornahme von Eigenleistungen, über einen Zeitraum erstreckt, der die dafür normalerweise erforderliche Dauer überschreitet.[3] Wird ein zur Renovierung angemessener Zeitraum jedoch weit überschritten, darf das Mietgericht dem Vermieter unterstellen, dass im Zeitpunkt der Kündigung keine Einzugsabsicht vorgelegen hat.[4]

Setzt die beabsichtigte Eigennutzung Umbaumaßnahmen voraus, hat das Gericht im Einzelfall der Frage nach der baurechtlichen Realisierbarkeit des Eigennutzungswunsches nachzugehen. Für die Wirksamkeit der Kündigung ist jedoch grundsätzlich nicht erforderlich, dass die Baugenehmigung bei Ausspruch der Kündigung bereits vorliegt.[5] Der Vermieter muss aber bereits im Kündigungsschreiben konkrete Planungen anführen und darlegen, dass das Bauvorhaben zumindest genehmigungsfähig ist und erforderliche Zustimmungen, z. B. der Wohnungseigentümergemeinschaft, erteilt werden oder bereits vorliegen.[6]

 
Wichtig

Realistische, umsetzbare Umbauplanung

Eine ins Einzelne gehende Planung des Umbaus muss im Zeitpunkt der Eigenbedarfskündigung noch nicht vorliegen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Vorstellungen, die der Vermieter hinsichtlich seines Raumbedarfs hat, verwirklicht werden können oder ob diese Vorstellung unrealistisch ist[7]; so auch bei geplanten Umbaumaßnahmen (hier: Dachgeschossausbau und Zusammenlegung zweier Wohnungen), mit denen der Eigenbedarf begründet wird, bei Ausspruch der Eigenbedarfskündigung zwar noch keine Baugenehmigung oder ein Vorbescheid vorliegen muss. Das Bauvorhaben muss aber soweit konkret geplant sein, dass seine Realisierung geprüft werden kann.[8]

 
Wichtig

Vor Gericht

Beweisaufnahme: Rechtliches Gehör des Mieters

Die Einzugsabsicht ist einer Beweisaufnahme zugänglich. Es kann gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) verstoßen, wenn das Fachgericht einen vom Mieter angebotenen Beweis für das Fehlen der Einzugsabsicht nicht erhebt.[9]

Auch wenn das Gericht nach Zeugenvernehmung den mit der Eigenbedarfskündigung geltend gemachten Nutzungswunsch des Vermieters für bewiesen erachtet, muss es gegenbeweislich vom Mieter genannte Zeugen vernehmen und einen Vortrag, der den Eigenbedarf als nicht realisierbar darlegt (z. B. wegen mangelnder Genehmigungsfähigkeit eines behaupteten geplanten Umbaus der Wohnung), in seinem Kern würdigen; anderenfalls verletzt das Gericht den verfassungsrechtlichen Anspruch des Mieters auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; BGH, Beschluss v. 16.3.2011, VIII ZR 338/09, WuM 2011 S. 300, WuM 2011 S. 300).

Würdigung im Rahmen der Räumungsklage

Ferner muss das zur Entscheidung über die Räumungsklage berufene Gericht die vom Mieter dargelegten Umstände, die gegen die Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches des Angehörigen sprechen, in Erwägung ziehen. Sie müssen ein substanziiertes Bestreiten des geltend gemachten Eigenbedarfs durch den Mieter im Räumungsprozess umfassend würdigen.[10]

Dies gilt auch, wenn der Eigenbedarf auf mehrere Gründe gestützt wird.[11]

Entscheidungsgründe

In den Entscheidungsgründen muss zwar nicht jedes Vorbringen ausdrücklich beurteilt werden, insbesondere dann nicht, wenn es sich um letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidungen handelt. Jedoch müssen in den Gründen die wesentlichen, der Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen- und Rechtsausführungen der Verfahrensbeteiligten verarbeitet werden.

Ist die Nutzungsmöglichkeit des Vermieters, d. h. die Realisierbarkeit des Eigenbedarfs, ungewiss, steht dies einer Eigenbedarfskündigung grundsätzlich entgegen. Dies ist z. B. auch der Fall, wenn der russische Eigentümer wegen Eigenbedarfs kündigen will, obwohl er kein Dauervisum für den Schengen-Raum hat und sich nur begrenzte Zeit (hier: 90 Tage im Jahr) in der Wohnung aufhalten dürfte.[12] Fraglich ist, ob diese Entscheidung mit der Rechtsprechung des BGH vereinbar ist, wonach zur Begründetheit der Eigenbedarfskündigung keine Mindestnutzungsdauer der Wohnung verlangt werden kann.[13]

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