Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorgeschobener Eigenbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beweislast für das Vorliegen von Eigenbedarf trägt der Vermieter. Zwar kann idR von der Ernsthaftigkeit eines vernünftig und nachvollziehbar begründeten Selbstnutzungswunsches ausgegangen werden. Zweifel können sich jedoch aus einer vorangegangenen Vortäuschung von Eigenbedarf ergeben.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25.11.1988 -- 6 C 597/88 -- wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Räumung und Herausgabe der von dieser bewohnten Wohnung nach §§ 556 Abs. 1, 985 BGB verlangen, denn das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Klägerin vom 28.3.1988 nicht wirksam beendet worden.

a) Zwar ist die auf Eigenbedarf (§ 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB) gestützte Kündigung vom 28.3.1988 in formeller Hinsicht ausreichend begründet. Ein nach § 564 b Abs. 3 BGB zu berücksichtigender Kündigungsgrund braucht im Kündigungsschreiben nur so ausführlich bezeichnet zu sein, daß er identifiziert und von anderen Gründen (Sachverhalten, Lebensvorgängen) unterschieden werden kann. Dieser Begründungspflicht genügt der Vermieter, wenn er im Kündigungsschreiben die Personen angibt, für die die Wohnung benötigt wird, und einen konkreten Sachverhalt (Lebensvorgang) darlegt, auf den er das Interesse dieser Personen an die Erlangung der Wohnung stützt (Kündigungsgrund) (BayObLG, Rechtsentscheide vom 14.7.1981, NJW 81, 2197; und vom 17.12.1984 WuM 85, 50). Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben vom 28.3.1988. Es bezeichnet die Person, für die die Wohnung in Anspruch genommen wird, nämlich die Klägerin selbst, und den Lebensvorgang, auf den das Interesse der Klägerin an der Erlangung der Wohnung gestützt wird, nämlich ihre Absicht, die bisher von ihr bewohnte Wohnung zu veräußern und kein Mietverhältnis einzugehen. Das Amtsgericht überspannt die an ein Kündigungsschreiben zu stellenden Anforderungen, wenn es Ausführungen über die Gründe für die Absichten der Klägerin vermißt. Zur Identifizierbarkeit des Lebenssachverhalts, auf den die Kündigung gestützt wird, reicht die von der Klägerin im Kündigungsschreiben dargelegte Absicht, ihre bisherige Wohnung zu veräußern und kein Mietverhältnis einzugehen, sondern in die von der Klägerin bewohnte Wohnung umzuziehen, aus. Die Überlegungen, die die Klägerin dazu veranlaßt haben, die Veräußerung ihrer Wohnung ins Auge zu fassen, stellen den "Grund für den Grund" der Kündigung dar und mußten daher von ihr nicht angegeben werden.

b) Die Klägerin hat jedoch die Voraussetzungen des Eigenbedarfs nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB, daß sie nämlich die Wohnung für sich benötigt, nicht nachgewiesen. Nach allgemein anerkannten zivilprozessualen Grundsätzen muß der Vermieter die tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungstatbestandes darlegen und erforderlichenfalls beweisen (Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Auflage, B 650). Auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.2.1989 (WuM 89, 114) ergibt sich nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt: "So hat das Fachgericht sämtlichen vom Mieter vorgetragenen Gesichtspunkten nachzugehen, welche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründen. Vorgeschobene Kündigungen verdienen keinen Schutz". Demnach führen bereits begründete Zweifel zum Mißerfolg des Räumungsverlangens. Auch im neueren Schrifttum werden aus der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine anderen Konsequenzen gezogen (vgl. Blank WuM 89, 157, 159; Derleder, WuM 89, 217, 223). Soweit dem Urteil entnommen werden kann, daß es dem Mieter obliegt, Anhaltspunkte für Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches vorzutragen, dürfte sich dies daraus ergeben, daß, wenn der Vermieter Eigenbedarf geltend macht und hierfür auch vernünftige, nachvollziehbare Gründe anführen kann, in der Regel keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sein dürften, seine Selbstnutzungsabsicht zu bezweifeln.

Die Klägerin konnte nicht zur Überzeugung der Kammer beweisen, daß sie die von der Beklagten bewohnte Wohnung tatsächlich aus den von ihr angeführten Gründen selbst nutzen möchte. Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Selbstnutzungsabsicht werden durch folgende Umstände begründet:

aa) Die Klägerin hat mit einer auf vorgeschobenen Eigenbedarf gestützten Kündigung bereits im Jahre 1987 die Räumung der im 1. Obergeschoß des Anwesens ... gelegenen Wohnung erreicht. Diese Kündigung war auf einen angeblichen Eigenbedarf der Schwester der Klägerin gestützt. Daß ihre Schwester beabsichtigt habe, die Wohnung im 1. Obergeschoß tatsächlich als Wohnung zu benutzen, hat die Klägerin zuletzt nicht mehr ernsthaft behauptet. Die Wohnung ist zwar formell mit schriftlich...

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