Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung. Fahrerlaubnis. Kündigung. Omnibusfahrer. Außerordentliche Kündigung. Fahren ohne Fahrerlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Es kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, wenn ein Busfahrer im öffentlichen Personennahverkehr einen Omnibus führt, obwohl er keine Fahrerlaubnis hat.

2.) Die Interessenabwägung kann dazu führen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Abmahnung angemessen und ausreichend gewesen wäre.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; FeV § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; StVG § 21

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 02.12.2009; Aktenzeichen 2 Ca 1609/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.12.2009, Az.: 2 Ca 1609/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 03.06.2009 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Der Kläger (geb. am 03.08.1962, ledig, kinderlos) ist seit dem 01.08.1997 bei der Beklagten als Busfahrer zu einem Bruttomonatsentgelt von EUR 1.890,00 beschäftigt. Die Beklagte, die ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs betreibt, beschäftigt ca. 390 Arbeitnehmer, darunter ca. 270 Busfahrer; es besteht ein Betriebsrat.

Zum Führen von Bussen zur Personenbeförderung ist eine Fahrerlaubnis der Klasse D erforderlich. Diese Fahrerlaubnis wird gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) nur befristet, längstens für fünf Jahre erteilt. Sie wird auf Antrag um fünf Jahre verlängert, wenn der Inhaber eine augenärztliche Bescheinigung über sein Sehvermögen und eine ärztliche Bescheinigung über seine gesundheitliche Eignung vorlegt (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 FeV). Außerdem müssen sonstige Erteilungsvoraussetzungen vorliegen (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 FeV).

Die Fahrerlaubnis der Klasse D des Klägers war bis zum 22.04.2009 befristet. Vor Ablauf der Geltungsdauer beantragte er keine Verlängerung. Am 24.04., 25.04., 27.04., 28.04. und 30.04.2009 führte er einen Omnibus der Beklagten im öffentlichen Personennahverkehr ohne die erforderliche Fahrerlaubnis. Vom 01.05. bis zum 21.05.2009 war der Kläger in Erholungsurlaub. Ob kündigungsberechtigte Mitarbeiter der Beklagten am 20.05.2009 oder am 22.05.2009 darüber Kenntnis erlangt haben, dass der Kläger ohne Fahrerlaubnis einen Bus geführt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 03.06.2009 kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zum 05.06.2009, hilfsweise fristgerecht zum nächstzulässigen Termin. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 24.06.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Im Gütetermin vom 22.07.2009 legte er dem Arbeitsgericht einen vorläufigen Nachweis der Fahrberechtigung vom 21.07.2009, gültig bis zum 21.09.2009, vor. Im Kammertermin vom 02.12.2009 legte er die (endgültige) Fahrerlaubnis der Klasse D vor, die ihm am 29.07.2009 erteilt worden ist. Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 03.11.2009 wurde dem Kläger wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) eine Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen á EUR 30,00 auferlegt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.12.2009 (dort Seite 2-5 = Bl. 90-93 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung noch durch die hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 03.06.2009 beendet wird,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1), die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Omnibusfahrer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klage mit Urteil vom 02.12.2009 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung der Beklagten sei nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstelle, dass der Personalleiter und die Geschäftsführung erst am 22.05.2009 Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt hätten, habe die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass dem Kläger das Kündigungsschreiben am 04.06.2009 zugegangen sei.

Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Der Kläger habe zwar seine Pflichten verletzt, weil er sich nicht rechtzeitig um die Verlängerung der Fahrerlaubnis der Klasse D gekümmert habe. Darüber hinaus habe er am 24.04 und 25.04.2009 sowie in der Zeit vom 27.04 bis 30.04.2009 einen Bus im öffentlichen Personennahverkehr ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ge...

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