Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösungsantrag. Betriebsratsanhörung. Kündigung. Personalgespräch. Kündigung wegen aggressivem und respektlosem Verhalten gegenüber dem Personalleiter. Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Arbeitgeberin nach unwirksamer Kündigung eines Facharbeiters wegen aggressiven und respektlosen Verhaltens gegenüber Personalleiter

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien setzt das Vorhandensein einer entsprechenden Vertrauensgrundlage voraus; diese Vertrauensgrundlage besteht nicht mehr, wenn Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder auftreten können, nicht mehr mit der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen werden und sowohl das persönliche Verhältnis des Arbeitnehmers zum Personalleiter der Arbeitgeberin als auch das Verhältnis zu seinen Arbeitskollegen und unmittelbaren Vorgesetzten durch sein aggressives und impulsives Verhalten so belastet ist, dass eine dem Betriebszweck dienliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen erscheint.

 

Normenkette

BetrVG §§ 102, 102 Abs. 1; BGB §§ 626, 626 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, § 9 Abs. 1 S. 3, §§ 9-10, 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 03.03.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1255/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011, Az.: 1 Ca 1255/10, abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 zum 31.12.2010 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten gerichtlich zum 31.12.2010 aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von € 28.800,00 brutto zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 und zweitinstanzlich noch über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag zum 31.12.2010.

Der Kläger (geb. am 15.02.1967, verheiratet, drei unterhaltsberechtigte Kinder) ist seit dem 05.02.1992 bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt beträgt einschließlich Prämien und Zulagen ca. € 3.200,00. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie beschäftigt in ihrem Werk in C-Stadt ca. 1.200 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat.

Die Beklagte hatte dem Kläger bereits am 25.04.2008 fristlos, hilfsweise zum 31.10.2008 aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der damaligen Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag (Az.: 1 Ca 898/08) mit Urteil vom 21.08.2008 stattgegeben. Die Beklagte beschäftigte den Kläger deshalb ab dem 01.09.2008 weiter. Sie setzte ihn mit seinem Einverständnis (Änderungsvereinbarung vom 28.08./03.09.2008) nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz als CNC-Rohrbieger, sondern in der Bauteileendbearbeitung im Bereich Sitzschienenfertigung zu einem geringeren Tarifentgelt (E 5 statt E 6 ERA) ein. Im Berufungsverfahren (Az.: 3 Sa 665/08) schlossen die Parteien am 03.03.2009 den nachfolgenden Vergleich:

Das Arbeitsverhältnis ist durch die auf den 28.04.2008 datierte Kündigung vom 25.04.2008 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden.

Seit dem 01.09.2008 richtet sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien unbefristet nach den Bestimmungen der Änderungsvereinbarung vom 28.08./03.09.2008.

Die Beklagte ist berechtigt, den Kläger wegen der Sachverhalte, die in der Klageerwiderung vom 11.07.2008 unter I.1. und I.3. behandelt werden, jeweils Abmahnungen zu erteilen, die mit Ablauf des 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen sind.

Weiter ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger eine bis zum 31.03.2010 befristete Abmahnung wegen des Sachverhalts zu erteilen, der in der Klageerwiderung unter I.2. behandelt wird.

..."

Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin drei Abmahnungen. Die Abmahnung vom 13.03.2009 (Bl. 302 d.A.) erfolgte wegen Täuschung bei der Dokumentation von Umrüstzeiten im Leistungslohn ("Arbeitszeitbetrug"). Eine Abmahnung vom 18.03.2009 (Bl. 301 d.A.) erfolgte wegen der Aufstellung von falschen Behauptungen über seinen Vorgesetzten Z. ("Üble Nachrede"). Die dritte Abmahnung vom 18.03.2009 (Bl. 300 d.A.) erfolgte wegen Bedrohung des Arbeitskollegen Y. ("Bedrohung von Mitarbeiter").

Am 22.01.2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung (Bl. 69 d.A.) mit der Begründung, der Kläger habe sich beharrlich geweigert, der Aufgabenverteilung in der Gruppe Folge zu leisten und entgegen den betrieblichen Notwendigkeiten an einer Zerspanungsmaschine gearbeitet. Diese Abmahnung ist Gegenstand des Rechtsstreits 1 Ca 815/10. Das Arbeitsgericht hat das Ruhen des Verfahrens a...

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