Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmverzug. Eingliederungsmanagement. Schadenersatz. Annahmeverzugsansprüche, Schadenersatz, Eingliederungsmanagement bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit einer Altenpflegerin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch eines Arbeitnehmers aus Annahmeverzug nach §§ 615, 293 BGB setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nicht nur Willens, sondern auch in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Für die Frage der Arbeitsfähigkeit kommt es auf die objektiv vorliegenden Verhältnisse an. Ist ein Arbeitnehmer objektiv aus gesundheitlichen Gründen außer Stande, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, kommt es auf eine subjektive Einschätzung nicht an.

2. Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB IX auf entgangene Annahmeverzugslohnansprüche kommt nur in Betracht, wenn ein sinnvolles berufliches Eingliederungsmanagement (BEM) infrage gekommen wäre. Fehlt es hieran, kann von einer schuldhaften Verletzung einer entsprechenden Verpflichtung durch den Arbeitgeber nicht ausgegangen werden.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 293, 615, 823 Abs. 2; SGB IX § 84 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 29.08.2007; Aktenzeichen 7 Ca 353/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 29.08.2007 – 7 Ca 353/07 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob der seit 1999 als Altenpflegehelferin beschäftigten Klägerin nach ihrer Entlassung als arbeitsunfähig aus einer Rehabilitationsbehandlung für die Zeit ab August 2006 zunächst bis August 2007 und – in der Berufungsinstanz klageerweiternd – bis November 2007 Vergütungsdifferenzansprüche zustehen.

Bei der Klägerin, die mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 23. Juli 1999 (Bl. 5 u. 6 d. A.) von der Beklagten, die ca. 70 Mitarbeiter hat, beschäftigt wird, liegt ein Grad der Behinderung von 30 gemäß Bescheid vom 29.09.2005 vor (Bl. 7 – 8 d. A.). Der ärztliche Entlassungsbericht der X. enthält auf Bl. 2. 5 folgende Feststellungen:

Psychologie vom 11.07.2005

Zusammenfassung:

Problemstellung/Psychische Situation der Patientin/des Patienten:

Frau Cr. beschrieb ihren Arbeitsbereich und die für sie problematischen Situationen. Sie könne sehr emotional in Stresssituationen reagieren und habe dann die Tendenz, sich der Konfrontation zu entziehen, auch mal aus dem Dienst wegzulaufen. Sie berichtete, weiterarbeiten zu wollen, fühle sich psychisch und auf Grund der Schmerzen nicht in der Lage, z. B. die notwendigen schweren Hebetätigkeiten bei dementen Bewohnern des Altenheimes durchzuführen.

Vorschläge für nachfolgende Maßnahmen (Blatt 1):

Das Gespräch diente der emotionalen Entlastung der Patientin. Ihr wurde eine ambulante Psychotherapie empfohlen, um langfristig einer tendenziell dysfunktionalen Stressbewältigung durch selbstbelastende Methoden (Alkoholkonsum, Vermeidung zielorientierter, aktiver Problemlösungen) entgegenzuwirken.

Auf Blatt 2. 7 ist folgende sozialmedizinische Beurteilung enthalten:

Frau A. ist in ihrem Beruf als Altenpflegehelferin mit schwerer körperlicher Belastung aus orthopädischer Sicht nicht mehr leistungsfähig. Aufgrund der vorab beschriebenen Diagnosen sind folgende Tätigkeiten auszuschließen:

Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten.

Überwiegend gehend/stehende Tätigkeit.

Längere einseitige Körperpositionen.

Rein sitzende Tätigkeit.

Überkopfarbeiten.

Häufige Rotationen/Reklinationen des Kopfes.

Für Tätigkeiten unter Ausschluss der oben genannten Kriterien besteht aus orthopädischer Sicht volle Leistungsfähigkeit.

Frau A. sieht sich aufgrund der starken körperlichen aber auch zunehmend psychischen Belastung ihrer beruflichen Tätigkeit ebenfalls nicht mehr gewachsen. Sie strebt daher auch eine berufliche Umorientierung an.

Aus orthopädischer Sicht ist zumindest eine innerbetriebliche Umsetzung ffg. aber auch die Einleitung berufsfördernder Weiterqualifzierungsmaßnahmen indiziert.

Wir entließen Frau A. am 13.07.2005 nach teilweise positivem Rehabilitationsverlauf beschwerdebedingt und aufgrund des nicht leidensgerechten Arbeitsplatzes weiterhin arbeitsunfähig in die weitere hausärztliche Betreuung.

Am 17.08.2005 fand zwischen den Parteien ein Gespräch statt, dessen Verlauf umstritten ist. Unstreitig stellte die Beklagte dabei das Fehlen eines leidensgerechten Arbeitsplatzes fest.

Die Klägerin bezog in der Folge weiterhin Krankengeld bis August 2006.

Unter dem 30.11.2006 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Arbeitsvergütung auf.

Mit ihrer am 22.03.2007 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage begehrt die Klägerin für die Zeit ab 22.08.2006 Annahmeverzugslohn.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

der Anspruch auf Annahmeverzugslohn bestünde, da es der Beklagten möglich sein müsse, ihr – der Klägerin – leidensgerechte Arbeit anzubieten, zu welchem Zweck auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement...

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