Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. Dem gegenüber erhält ein Arbeitnehmer, der nicht bereit ist zu arbeiten, auch im Falle einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung keine Vergütung. Hiermit und somit von Schuldnerverzug einer Arbeitnehmerin ist auszugehen, wenn diese dem Arbeitgeber mitteilt, dass sie während der Schulferien ein Kind zu betreuen habe und daher nicht kommen könne.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 611, 615; BUrlG § 7 Abs. 3; EFZG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 17.05.2018; Aktenzeichen 1 Ca 1979/17)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 17. Mai 2018, Az. 1 Ca 1979/17, teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin jeweils 30 Arbeitstage Urlaub für die Jahre 2016 und 2017 zu gewähren.
  2. Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 65 % und die Beklagte 35 % zu tragen. Von den Kosten zweiter Instanz haben die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Vergütung wegen Annahmeverzugs oder als Schadensersatz und Gewährung von (Ersatz-)Urlaub.

Die 1979 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 23.07.2007 bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 30,5 Stunden in der Tätigkeitsebene V in der Fünftagewoche angestellt. Aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) Anwendung. Der Erholungsurlaub beträgt nach § 29 Abs. 1 TV-L in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt € 2.398,19. Die Klägerin wohnt in A-Stadt und erzieht ihren im Januar 2011 geborenen Sohn allein; sie war vom 28.05.2011 bis 27.05.2013 in Elternzeit. Die Klägerin ist mit einem GdB von 30 behindert. Mit Bescheid vom 15.12.2016 wurde sie gem. § 2 Abs. 3 SGB IX mit Wirkung ab 27.07.2016 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Klägerin fehlte aus krankheitsbedingten Gründen wie folgt:

Jahr

Arbeitstage

2013

76

ab 28.05.2013

2014

152

2015

107

2016

251

2017

144

bis 28.07.2017

Bei der Klägerin wurde eine Allergie gegen Teppichböden, Pflanzen und Gardinen (konkret Hausstaubmilben) festgestellt. Deshalb empfahl der Betriebsarzt im März 2015 einen Arbeitsplatz ohne diese Allergieauslöser. Da im Dienstgebäude A-Stadt, in dem die Klägerin eingesetzt wurde, sämtliche Büroräume mit Teppichboden ausgelegt waren, wies die Beklagte der Klägerin ab 05.10.2015 einen Arbeitsplatz am Dienstort S-Stadt zu. Gegen diese Versetzung wandte sich die Klägerin zunächst in einem Eilverfahren (1 Ga 23/15) und sodann in einem Hauptsacheverfahren. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Feststellung, dass die Weisung der Beklagten die Arbeit am Dienstort in S-Stadt zu erbringen, unwirksam ist, mit Urteil vom 14.04.2016 (1 Ca 1823/15) abgewiesen; das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil vom 10.05.2017 (4 Sa 444/16) zurückgewiesen.

Seit dem 12.10.2015 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sie bezog bis zum 09.04.2017 (Aussteuerung) Krankengeld. Kurz vor ihrer Aussteuerung beantragte sie mit der Behauptung, sie sei voraussichtlich ab 10.04.2017 wieder arbeitsfähig, bei der Beklagten vergeblich ab diesem Tag die Bewilligung des Erholungsurlaubs aus den Jahren 2015 und 2016. Das Arbeitsgericht hat die von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung auf Gewährung von Erholungsurlaub mit Beschluss vom 13.04.2017 (4 Ga 4/17) zurückgewiesen; das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die sofortige Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 04.05.2017 (2 Ta 91/17) zurückgewiesen. Obwohl die Klägerin im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgetragen hat, sie sei voraussichtlich ab 10.04, später ab 18.04., zuletzt ab 02.05.2017 zum Antritt des beantragten Urlaubs wieder arbeitsfähig, war sie vom 10.04. bis zum 30.06.2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Ihr Hausarzt stellte zunächst eine Erst- und anschließend mehrere Folgebescheinigungen aus. Die Beklagte gewährte der Klägerin bis 21.05.2017 (42 Kalendertage) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sodann bezog die Klägerin bis zum 30.06.2017 Krankengeld. Die Beklagte fordert die Entgeltfortzahlung ab 10.04.2017 inzwischen zurück.

Am 20.06.2017 fand ein Erörterungstermin vor dem Integrationsamt statt, weil die Beklagte das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt kündigen wollte. Die Klägerin schilderte, dass sich ihre Allergie gebessert habe, sie könne deshalb wieder in einem mit Teppichboden ausgelegten Raum arbeiten. Der Grad der Behinderung von 30 sei ih...

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