Entscheidungsstichwort (Thema)

Benachrichtigungszettel. Beweismittel. Einrede. Einschreiben. Entgeltfortzahlung. Krankengeldbescheinigung. Kündigung. Nachweispflichten. Zugang. Zugangsvereitelung. Zurückbehaltungsrecht. Zugang einer Kündigung. Entgeltfortzahlung, Nachweispflichten

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Zugang des Benachrichtigungszettels über die Niederlegung eines Kündigungsschreibens bei der Post führt nicht zum Zugang des Schreibens selbst oder ohne weitere Umstände zur Zugangsfiktion wegen Zugangsvereitelung.

 

Normenkette

BGB §§ 130, 242; EntgFG §§ 3, 5, 7

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 10.02.2011; Aktenzeichen 4 Ca 1765/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10. Februar 2011, Az.: 4 Ca 1765/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin (geb. am 19.01.1971) war seit dem 01.10.2009 bei der Beklagten als Pflegerin zu einem Bruttomonatsgehalt von EUR 3.200,00 beschäftigt. Sie war seit dem 27.07.2010 erkrankt. Ob sie bis zum 15.11.2010 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt war, ist streitig. Von 24 vereinbarten Urlaubstagen hat die Klägerin im Jahr 2010 insgesamt 20 genommen.

Die Beklagte wollte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 03.08.2010 fristlos kündigen und der Klägerin per Einschreiben zustellen. Die Klägerin hat das Übergabe-Einschreiben nicht bei der Post abgeholt. Mit Schreiben vom 11.10.2010 kündigte die Beklagte vorsorglich ordentlich zum 15.11.2010. Diese Kündigung hat die Klägerin akzeptiert. Im Gütetermin vom 21.10.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine außerordentliche Kündigung zu Protokoll, die er auf den Vorwurf stützt, die Klägerin habe den Zugang der Kündigung vom 03.08.2010 vereitelt.

Mit ihrer mehrfach geänderten Klage hat die Klägerin zuletzt die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.11.2010, Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 01.08. bis zum 06.09.2010 (EUR 3.200,00 + EUR 640,00 brutto) sowie Urlaubsabgeltung für vier Tage (EUR 590,76 brutto) begehrt.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.02.2011 (dort Seite 2-6= Bl. 79-83 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 03.08.2010 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 21.10.2010 beendet worden ist, sondern fortbestanden hat bis 15.11.2010,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 3.200,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.09.2010 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 640,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.10.2010 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 590,76 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.11.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage mit Urteil vom 10.02.2011 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch eine fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.08.2010 beendet worden, denn das Übergabe-Einschreiben sei der Klägerin nicht im Sinne des § 130 BGB zugegangen. Die Klägerin habe den Zugang dieser Kündigungserklärung nicht vereitelt, denn sie habe in dem Zeitraum, in dem das Einschreiben auf der Post hinterlegt gewesen sei, nicht mit dem Zugang einer Kündigung rechnen müssen. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Klägerin die fristlose Kündigung vom 03.08.2010 per Einwurf-Einschreiben zugegangen sei. Sie habe ihren Ehemann als Zeugen dafür benannt, dass sie das Kündigungsschreiben abgeschickt habe. Hierauf komme es jedoch nicht an. Der Zugang könne schließlich auch nicht aufgrund von vorgetragenen Indizien unterstellt werden. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 21.10.2010 beendet worden, denn die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

Die Klägerin könne ab dem 27.07.2010 für die Dauer von sechs Wochen, also bis zum 06.09.2010, gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen. Sie habe durch Vorlage eines Duplikates der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 27.07.2010 sowie durch Vorlage der Bescheinigung der KKH Allianz vom 24.11.2010 hinreichend ihre Arbeitsunfähigkeit ab dem 27.07.2010 nachgewiesen. Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung gegen diese Ansprüche greife nicht durch, denn sie habe nicht substantiiert dargelegt, wann sie mit der Klägerin welche ko...

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