Entscheidungsstichwort (Thema)

einstweilige Verfügung. tatsächlicher Weiterbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem gem. § 102 Abs. 5 BetrVG begründeten Weiterbeschäftigungsverhältnis besteht das gekündigte Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen über den Entlassungstermin fort.

2. Eine von der Arbeitgeberin bereits während der Kündigungsfrist ausgesprochene und danach aufrechterhaltene Freistellung des Arbeitnehmers kann bewirken, dass auch während des Weiterbeschäftigungsverhältnisses eine tatsächliche Arbeitstätigkeit unterbleibt und dem Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gem. § 615 BGB zusteht.

3. Soll der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im Weiterbeschäftigungsverhältnis durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden, bedarf es hierzu wie bei der Durchsetzung der tatsächlichen Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis oder im kündigten Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist eines besonderen Verfügungsgrundes.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Bamberg (Urteil vom 21.08.2007; Aktenzeichen 4 Ga 8/07 C)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 21.08.2007, Az.:4 Ga 8/07 C, abgeändert.

II. Der Antrag wird zurückgewiesen.

III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die tatsächliche Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits der Parteien.

Die am 17.06.1953 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01.09.1979 als Sachbearbeiterin zuletzt in der Abteilung Qualitätsmanagement gegen ein Bruttomonatsgehalt von EUR 2.900,– beschäftigt.

Die Antragsgegnerin, in deren Betrieb etwa 560 Arbeitnehmer beschäftigt sind, schloss im Monat August 2006 mit der Gewerkschaft IG Metall einen Restrukturierungstarifvertrag zur Sicherung des Existenz des Unternehmens, der u.a. den Abbau von 60 Arbeitsplätzen vorsieht.

Mit dem bei der Antragsgegnerin bestehenden Betriebsrat wurde am 22.03.2007 ein Sozialplan abgeschlossen.

Die Antragsgegnerin kündigte das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin mit Schreiben vom 29.12.2006 (Kopie Bl. 13 d.A.) zum 31.07.2007 und stellte die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Bezüge von der Arbeitsverpflichtung frei.

Der Anspruch der Antragstellerin aus dem Sozialplan beträgt EUR 59.558,98 brutto.

Gegen dies ausgesprochene Kündigung hat die Antragstellerin zum Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – Kündigungsschutzklage erhoben (Az.: 4 Ca 78/07 C). Im dortigen Rechtsstreit ist Termin zur Durchführung der Kammerverhandlung bestimmt auf Dienstag, den 02.10.2007.

Aufgrund des Widerspruchs des Betriebsrats vom 28.12.2006 (Kopie Bl. 18-20 d.A.) begehrte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.07.2007 (Kopie Bl. 26 d.A.) die vorläufige Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits.

Die Antragstellerin hat Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung beim Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – erhoben (Az.: 4 Ca 797/07 C) und diesen Anspruch gleichzeitig im Wege der hier streitgegenständlichen einstweiligen Verfügung verfolgt.

Die Antragsgegnerin ihrerseits betreibt ebenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht (Az.: 4 Ga 9/07 C).

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – hat mit Endurteil vom 21.08.2007 dem Antrag entsprochen und die Antragsgegnerin zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung verpflichtet.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 30.08.2007 zugestellte Urteil haben diese mit Telefax vom 05.09.2007 Berufung eingelegt und sie gleichzeitig begründet.

Die Antragsgegnerin meint, der Antragstellerin stehe kein Verfügungsanspruch

zu, denn ihr Arbeitsplatz sei bereits seit dem 01.01.2007 dauerhaft und ersatzlos weggefallen. Aus diesem Grund sei sie bereits während der Kündigungsfrist freigestellt worden. Die betriebsorganisatorische Maßnahme und die daraus resultierende Freistellung könnten nicht rückgängig gemacht werden.

Es fehle auch an einem erforderlichen Verfügungsgrund, an den im Falle einer vorliegenden Befriedigungsverfügung ein besonders strenger Maßstab anzulegen sei. Dies gelte auch für den hier streitgegenständlichen Weiterbeschäftigungsanspruch während des Kündigungsrechtsstreits. Da die Antragstellerin ihre tatsächliche Beschäftigung erst mehr als sechs Monate nach der wirksamen Freistellung von der Arbeitspflicht geltend gemacht habe, habe sie die Dringlichkeit für eine Weiterbeschäftigungsverfügung selbst widerlegt. Auf wirtschaftliche Überlegungen könne die Weiterbeschäftigungsverfügung nicht gestützt werden. Da es ihr aus organis...

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